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Kapitel 4: Der Streit mit Papst Paul IV. – Neue Begründung des
Kaisertums270
antwortet also mit einer reichsrechtlichen Setzung90 und markiert damit als
seine grundsätzliche Position, daß jener vor 200 Jahren gefaßte Beschluß nach
wie vor gültig sei. Castaldus habe zwar die päpstliche Auffassung kürzlich ver-
teidigt, doch Seld weiß zahlreiche Stimmen dagegen anzuführen91.
Im Rahmen dieser grundsätzlichen Bestimmung der päpstlichen Gewalt be-
handelt Seld den Anspruch auf Mitwirkung des Papstes bei der Besetzung des
kaiserlichen Amtes, also den Kern des aktuellen politischen Streites. Er erörtert
die Fragen, ob der Papst die Wahl zu überprüfen oder gar zu bestätigen habe,
die Berechtigung zur Führung des Kaisertitels verleihe und gegebenenfalls den
Kaiser absetzen könne. Dabei kommt er auf die Herleitung der Forderung aus
der Translationstheorie zu sprechen und setzt sich – im zweiten Kapitel – ein-
gehend mit der kanonistischen Auslegung der für die päpstlichen Ansprüche
noch wichtigeren Lehre von den zwei Schwertern auseinander92. In diesen Ab-
schnitten stecken seine zentralen theoretischen Argumente.
Seld hält sich im zweiten Teil seiner Denkschrift nicht mit einer Darlegung
der Lehre von den Schwertern93 auf, sondern beginnt mit zwei Feststellungen94:
(1) Unstrittig und auch von den Päpsten anerkannt sei, daß die Handhabung
des weltlichen Schwertes dem Papst nicht zustehe, weil Jesus dem Petrus be-
fohlen hatte, sein Schwert in die Scheide zu stecken (obwohl etliche Kanonisten
Ausnahmen daraus herleiten wollten, daß Jesus nicht gesagt habe: wirf es von
dir!). (2) Gegenstand des Streites sei allein, ob gleichwohl die weltliche Gewalt
ursprünglich der Kirche gegeben und mithin von ihr dem Kaiser verliehen sei
oder ob der Kaiser seine Vollmacht unmittelbar von Gott habe. Obwohl diese
Frage so heftig diskutiert worden sei, daß sich die Gegner gegenseitig der Häre-
sie bezichtigt hätten95, sei sie doch – so Seld – längst geklärt: Nicht nur haben
die Reichsstände schon zur Zeit Barbarossas in Besançon jene These des Papstes
Hadrian IV. zurückgewiesen96, am 6. Juli 1338 haben die Kurfürsten in Rhense
gegen die päpstlichen Ansprüche entschieden, „das das khayserthumb allain
von Gott seinen Ursprung hab. Das auch das selb durch mittel der curfürsten
bevolhen werd, und sonst gar nitt des Rho. stuls Lehen sey“97. Dieser Spruch ist
am 6. August 1338 in Frankfurt von Kaiser und Ständen bestätigt – also zu ei-
nem Reichsgesetz erhoben – und durch die Feststellung ergänzt worden, daß
„der gewalt baider schwerter nitt bey dem Rho. stul, sondern aines Bapsts und
aines Khaysers Obrigkeitt und Jurisdiction von ain ander abgesondert sein sol-
90 Zum Beweis führt Seld (fol 18r/ S. 173) Aventin an, bei dem die Frankfurter Beschlüsse inseriert
sind.
91 Sie fehlen im Druck bei Goldast.
92 Da Seld mehrere Argumente zweimal vorträgt, ist hier eine stärker zusammenfassende Betrach-
tung angemessen.
93 Knappe Zusammenfassung bei Levison; die Genesis ihrer hierokratischen Ausprägung ist einge-
hend behandelt von H. Hoffmann.
94 Zum folgenden fol 39v/ S. 181f
95 Als Beispiel nennt Seld hier Dante, der wegen seiner Auffassung nach seinem Tode als Ketzer
verdammt worden sei (fol 40v/41r); die Passage fehlt bei Goldast (S. 181 Z. 21).
96 Als Quelle nennt Seld Rahewin (fol 41r/ S. 181)
97 fol 42r/S. 181
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien