Seite - 338 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
Bild der Seite - 338 -
Text der Seite - 338 -
Kapitel 5: Der Reichstag in Augsburg
1559338
suchen sollte119. Wie unsicher Ferdinand die Situation in Aachen einschätzte,
läßt sich aus seiner Bitte an Philipp II. ableiten, er möge als Nachbar der Stadt
mithelfen, daß sie nicht an die Protestanten verlorengehe120. Die Kommission
erhielt vom mehrheitlich katholischen Rat der Stadt die Versicherung, keine
Änderung in der Religion einführen zu wollen, so daß zunächst kein Hand-
lungsbedarf für den Kaiser gegeben war121. Das ein Jahr später erlassene neue
Ratsstatut sicherte bis auf weiteres die Katholizität der Krönungsstadt, denn das
katholische Bekenntnis wurde zur Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Rat
und die Ausübung städtischer Ämter erklärt122. Endlich gehört hierher auch die
Bestätigung der Privilegien des Hochstifts Naumburg, dem ebenso wie Meißen
und Merseburg die Gefahr drohte, durch kursächsischen Zugriff mediatisiert zu
werden. Mit deutlicher Zuspitzung gegen solche Absichten bekräftigte Ferdi-
nand das alleinige Wahlrecht des Domkapitels bei Sedisvakanz und die Unzu-
lässigkeit von Schutzverhältnissen der Stiftsuntertanen zu anderen Herrschaf-
ten123. Kurfürst August hat sich dadurch allerdings nicht beeindrucken las-
sen124.
Während Ferdinand sich mit den Protestanten über die „Qualitäten“ eines
Generalkonzils und ihr Verlangen nach der „Freistellung“ herumstritt, nutzte
er das positive Votum der Katholiken zu einem Konzil aus, um sie anzuspor-
nen, umgehend mit kirchlichen Reformen in ihrem Einflußbereich zu beginnen.
Nachdem die im November 1558 in Speyer zusammengetretene Theologen-
konferenz zur Überarbeitung der „Formula Reformationis“ von 1548 die An-
gelegenheit auf den Reichstag verschoben hatte125, hatte am 14. März eine Be-
ratung mehrerer Bischöfe zur Einsetzung einer Deputation geführt, die jene
Arbeit unter der Leitung von Julius Pflug durchführen sollte126. Seither hatte
sich zwar der Bischof von Augsburg wieder des Problems angenommen und
allen katholischen Reichsfürsten (sowie dem Kardinalskollegium) am 22. Mai
eine längere Denkschrift über die Lage der Religion in Deutschland zugehen
lassen127. Aber Ergebnisse in Gestalt von ernsthaften Vorschlägen ließen auf
sich warten, so daß Ferdinand ein Monitum für angebracht hielt, das am 30.
Juni den katholischen Ständen vorgetragen wurde, wobei der Kaiser auch selbst
das Wort nahm128. Ferdinand legte darin nicht nur einen Katalog vor129, was an
119 Ritter, Geschichte 1, S. 222f; Schmitz, S. 44 u. S. 50. Anscheinend hat die katholische Mehrheit
auch den neuen Hofprediger des Kaisers Sitthard eingeschaltet, der längere Zeit in Aachen ge-
wirkt hatte; doch ließ sich Ferdinand von ihm nicht zu energischerem Eingreifen bewegen (NB
II 1, S. 123).
120 Weiss 5, S. 611: Arras an Philipp II., 25.6.1559
121 Schmitz, S. 54
122 Ritter, Geschichte 1, S. 223
123 HHStA Wien, RHRP 17, fol 5r: Eintrag zum 14.6.1559
124 Zur Bistumspolitik des Kurfürsten August vgl. Ritter, Geschichte 1, S. 192f
125 s. Kapitel 2, S. 205
126 Bucholtz 7, S. 424f; Pfeilschifter, S. 323
127 Siebert, S. 240
128 Blarer 2, S. 447 (Bericht v. 3.7.1559); Goetz, Beiträge, S. 160
129 HHStA Wien, RK RTA 42, fol 45r-50r und fol 23r-29v (Konzept), undatiert. Ausführliche, zum
Teil wörtliche Wiedergabe bei Bucholtz 7, S. 432–435; knappe Referate bei Pfeilschifter, S. 323
und Westphal, S. 99
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien