Seite - 737 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
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SCHLUSSBEMERKUNG
Die Politik Ferdinands I. als Kaiser hebt sich deutlich ab von der seines Vor-
gängers Karl V. Schon vor dessen Resignation hat der jüngere Bruder die Kon-
sequenz gezogen, daß die politischen Probleme im Reich anders gelöst werden
müßten, als Karl es versucht hatte, und hat – bei sorgsamer Beachtung der
Loyalität – in behutsamer Weise den als richtig erachteten Weg eingeschlagen.
In einer Denkschrift für Kaiser Maximilian II. hat Lazarus von Schwendi, der
ein treuer Diener Karls V. gewesen war, Ferdinand gerühmt, weil er erkannt
habe, daß Deutschland nur durch einen beständigen Religionsfrieden zu helfen
sei, und darum sich lieber mit den Reichsständen verständigt habe als dem Bru-
der „anhängen“ wollen; im Kern war darin das Urteil enthalten, jede andere
Politik, als Ferdinand sie seit Passau getrieben hat, wäre für das Reich nachteili-
ger gewesen1. Gleichwohl hat Ferdinand eine wesentliche Zielsetzung Karls V.
durchaus geteilt, ja sie selbst sehr früh formuliert, nämlich die Wiederherstel-
lung der zu Beginn ihrer politischen Tätigkeit zerbrochenen Einheit der Chri-
stianitas catholica. Wenn er bis an sein Lebensende jenes Ziel nicht preisgeben
mochte, obwohl beide Religionsparteien erkennbar kaum noch Interesse daran
hatten, so mag ein Grund dafür sein, daß er noch zu jener Generation gehörte,
die die Anfänge des Zerfalls miterlebt und auch daran gelitten hatte.
Zunächst sei noch einmal hervorgehoben, daß Ferdinand in der Reichspolitik
einen anderen Stil pflegte als Karl V., nämlich mehr Gewicht auf persönliche
Kontakte und Überzeugungsarbeit – auch durch persönliche Einwirkung – bei
den in seinen Augen einflußreichsten protestantischen Fürsten legte, während
er von den katholischen im Grunde deutliche Unterstützung seines Kurses
erwartete.
Eine Ferdinand als Politiker auszeichnende Fähigkeit war, Tatsachen, die er
nicht zu ändern vermochte, respektieren und seine Politik entsprechend umori-
entieren zu können. So war er offen für pragmatische Lösungen und bereit,
verschiedene Wege zu erproben, aber auch zurückzustecken, wenn es einer
friedlichen Lösung wegen geboten erschien; in politischen Dingen stand er zu
seinem gegebenen Wort, und seine Partner wußten das zu schätzen. Noch ein-
mal Schwendi: Ferdinand habe erreicht, daß nicht nur die Zuneigung zu ihm
gewachsen, sondern auch das Mißtrauen im Reich abgebaut und Frieden ent-
standen sei, auch die Geistlichkeit mehr Sicherheit erlangt habe. Ferdinand
selbst ist in seinen letzten Lebensjahren zu ähnlichen Auffassungen gelangt
trotz der Enttäuschungen, die er von den Protestanten einerseits, der Politik der
römischen Kurie andererseits erfahren hatte und die ihn zwangen, seine eigenen
konzilspolitischen Ziele immer weiter zu reduzieren2.
Bei allen wichtigen Problemen war die Herstellung eines Konsenses mit der
Mehrheit der Reichsstände oder doch den führenden Kräften die Leitlinie Fer-
dinands. Das konnte gezeigt werden an der Umsicht, mit der er seine Über-
1 Frauenholz, S. 12 u. S. 23f
2 So in seinen Äußerungen von 1562 zur oberösterreichischen Regierung (Chmel, Antwort, S.
140ff).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Titel
- Ferdinand I. als Kaiser
- Untertitel
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Autor
- Ernst Laubach
- Verlag
- Aschendorff Verlag
- Ort
- Münster
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 786
- Schlagwörter
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Kategorie
- Biographien