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VON EINER FÜRSTLICHEN SAMMLUNG ZUR
FAMILIENBIBLIOTHEK DES HAUSES HABSBURG-
LOTHRINGEN 1835–1918
Hans Petschar
Als Kaiser Franz I. von Österreich einen Tag vor seinem Tod am 1. März
1835 testamentarisch verfügte, dass seine Privatbibliothek zu einem Primo-
genitur-Fideikommiss werden sollte, konnte er wohl nicht ahnen, dass seine
Sammlung, die zu diesem Zeitpunkt aus etwa 28.500 Büchern in 43.000
Bänden, 3.000 Landkarten, 15.400 Katastralmappen, 66.000 Porträts,
22.065 Kunstblättern der Sammlung Lavater, 8.000 Kupferstichen, 4000
Handzeichnungen und einer 934 Stücke umfassenden Münzsammlung be-
stand, in etwas mehr als 80 Jahren sich nicht nur entscheidend vergrößern
und sich in ihrem Charakter von einer bedeutenden fürstlichen Sammlung
zu einer wissenschaftlichen Bibliothek europäischen Formats verwandeln
würde, sondern mehr noch zu einem Erinnerungsort der Habsburgermonar-
chie und ihrer herrschenden Dynastie werden sollte.
Noch viel weniger freilich konnte er erahnen, dass diese Metamorphose
durch den Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie und den
damit verbundenen Machtverlust ihrer herrschenden Dynastie im Novem-
ber 1918 ein abruptes Ende finden würde. Mit der Übernahme der Fidei-
kommissbibliothek durch die Republik Österreich büßte die Sammlung ihre
Funktion als Familienbibliothek des Herrscherhauses ein. 1921 wurde sie in
die neu gegründete Nationalbibliothek eingegliedert und teilweise auf deren
verschiedene Sammlungen aufgeteilt.
Die testamentarische Verfügung Kaiser Franz’ I., die seine Privatbiblio-
thek zu einem Primogenitur-Fideikommiss erklärte, hatte den Grundstein
zur Formierung einer Habsburg-lothringischen Familien-Fideikommissbib-
liohthek gelegt. Die Rechtsgrundlage, die den jeweils ältesten männlichen
Erben der regierenden Linie des Hauses Habsburg-Lothringen zum Inha-
ber der Fideikommissbibliothek bestimmte, bewirkte auch, dass der jewei-
lige Fideikommissherr nicht identisch mit dem regierenden Kaiser sein
musste. Nach dem Tod von Kaiser Franz I. wurde Kaiser Ferdinand I. zum
Fideikommissherrn und er blieb dies auch, nachdem er die Regentschaft am
2. Dezember 1848 an Franz Joseph abgegeben hatte bis zu seinem Tod 1875
in Prag. Aber auch nach dem Tod von Kaiser Ferdinand wurde Franz Jo-
seph nicht sofort zum Fideikommissherrn, sondern als ältestes männliches
Familienmitglied des regierenden Zweigs sein Vater Franz Carl, der Bruder
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken