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DREI KAISER – DREI
BIBLIOTHEKEN22
einfach ohne eine sonstige nähere Uebergabe, blos auf das mündliche Geheiß
Seiner Majestät anvertraut worden ist; indem der hohe Herr mir eigenhändig
die Schlüßeln zu Seinen Sammlungen mit dem Bedeuten übergab, daß ich von
nun [an] auch über die verschiedenen Gesuche und ämtlichen Vorträge, die im
Wege des kaiserlichen geheimen Cabinetes anlangen werden, zu votiren und
der Allerhöchsten Schlußfassung zu untertreiten haben würde; dann fügte er
gnädig hinzu: „sie stehen mit der Bibliothek blos unter Mir“. Daher kommt es,
daß auch in der Bibliothek eine ungemein große Anzahl derlei allerhöchstei-
genhändig erledigten Acten sich vorfinden; wodurch – und auch noch durch
anderweitige Arbeiten, die Stellung des Bibliothekars nichts weniger als eine
Sinncur gewesen ist, sondern seine ganze Arbeit von frühen Morgen an in
Anspruch nahm;“2
Eine zweite hoch interessante Äußerung Khloybers reflektiert die Frage, wie
gut sich Franz in seiner eigenen Bibliothek zurechtfand und wie er persön-
liche Führungen durch seine repräsentativ ausgestatteten Sammlungen in
das Besucherprogramm hoher Gäste aufnahm.
„Der höchstselige Monarch hatte eine große Vorliebe für diese von Ihm ge-
gründete Sammlung; da geschah es dann bisweilen, daß Allerhöchstderselbe
irgend einen hohen Gast wie zum Beispiel den König von Neapel, die Prinzen
von Preussen etc. Höchstselbst in den hierortigen Gemächern herumführte,
und ohne die Dazwischenkunft des Beamten verschiedenes zeigte. Es schien
nun dem Kaiser keineswegs zu mißfallen, wenn bei solchen Revüen die fried-
lichen Musenkinder [die Bücher] sich in angemessener, einer Allerhöchsten
Privatbibliothek würdiger Kleidung [Einbände] präsentirten.“3
Dass der Prinz von Preußen, der spätere Kaiser Wilhelm I., die Sammlung
im Rahmen des Wiener Kongresses gesehen hat, das berichtet auch Moritz
von Becker 1873 in seinem Vorwort zum gedruckten Realkatalog, vermutlich
auf Grundlage von Khloybers Angaben.4
Abseits der repräsentativen Funktion der Bibliothek interessiert freilich
auch die aktive Benützung der Buchbestände durch den Kaiser selbst. Die
bisher raren Nachweise erlauben durch zwei weitere Funde ein anschauli-
cheres Bild. Beide stammen von Khloyber. Zum einen berichtet er im Zu-
sammenhang mit dem Bestand an österreichischen Gesetzessammlungen,
dass Franz I. „den bekannten trefflichen Kürsinger’schen Index […] häufig
2 FKBA26061, fol. 5r–6v.
3 FKBA26024, fol. 5r–v.
4 Vgl. Anm. 821; Becker, Sammlungen, Bd. 1, Vorwort.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken