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DREI KAISER – DREI
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Ihrer Privatbibliothek verwendet zu werden, dieser keinen Anstand nahm,
den Accessisten Thaa mit Ausschluss jedes anderen zu diesem Vertrauenspos-
ten zu empfehlen.“11
Einen weiteren äußerst wertvollen Hinweis liefert ebenfalls Becker, als er
1871 nach dem plötzlichen Tod des designierten zweiten Skriptors Josef
Thaa (ein Sohn von Georg Thaa) anmerkt, dass sich „unmittelbar, nach dem
der Tod des Scriptors Thaa in der Wienerzeitung angezeigt war“ zahlreiche
Bewerber „von allen Seiten und theilweise mit gewichtigen Empfehlungen“
meldeten.12 Diese zwar etwas pietätlose doch angesichts fehlender öffent-
licher Ausschreibungen sicherlich effektive Methode, die Sterbeanzeigen
durchzugehen, um rare freie Beamtenposten ausfindig zu machen und sich
daraufhin zu bewerben, mutet uns heute seltsam an, da die allerwenigsten
Menschen vor ihrer Pensionierung versterben und diese persönlichen Daten
nicht mehr öffentlich verlautbart werden.
Das Moment der Vertrauenswürdigkeit (etwa als Grund für Georg Thaas
Anstellung) ist scheinbar auch die Antwort auf die Frage, warum der in der
Angestelltenhierarchie beinahe ganz unten angesiedelte Bibliotheksdie-
ner Michael Brunner einschließlich aller (Natural)zulagen mehr verdiente,
als seine wissenschaftliche Kollegenschaft (Skriptor u. Kustos).13 Khloyber
meint schon 1845:
„Einem solchen Bibliotheksdiener ist beinahe alles anvertraut, in seinen Hän-
den sind die Schlüssel zu den Localitäten, ihm stehen alle Bücherschränke
offen, er hat die Heitzung und Reinigung unter sich. Ein solcher Mann muß
daher sehr treu und verläßlich sein, weswegen auch die Gnade wailand Sei-
ner Majestät ihm eine bessere Existenz zu verschaffen geruhte, als sie sonst
Individuen seines Standes zu Theil wird; ja daß sogar Brunner in seinen Be-
zügen besser daran ist, als ein hierortiger Beamter – meine Wenigkeit mitein-
geschlossen.“14
Ähnlich formuliert es Becker 1869: „Welche Wichtigkeit Seine Majestät der
Kaiser Franz jedoch dieser Dienersstelle beilegte, zeigt noch der Umstand,
daß derselbe außer dem Vorstande allein die Schlüssel zu sämmtlichen Bib-
liothekslocalitäten in Händen hat, weßhalb auch dessen Einkünfte so hoch
bemessen wurden, wie sie eben dem in diesen Diener gesetzten Vertrauen
11 FKBA27085, fol. 1v.
12 Vgl. dazu Anm. 1139.
13 Huber-Frischeis/Knieling/Valenta, Privatbibliothek, 120, 153.
14 FKBA25002, fol. 2v–3r.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken