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DREI KAISER – DREI
BIBLIOTHEKEN74
Reaktion auf unaufgeforderte Einsendungen von Schriftstellern und Künst-
lern von immanenter Wichtigkeit. Lassen wir diesbezüglich zunächst zwei
ehemalige Sammlungsdirektoren zu Wort kommen. Rudolf Payer von Thurn
schreibt in seinem 1927 veröffentlichten Aufsatz über das Verhältnis des Mo-
narchen zu Schriftstellern und Künstlern:
„Es war kein Geheimnis, daß man durch nichts so leicht die Aufmerksam-
keit des Kaisers [Franz] auf sich lenken und erforderlichen Falles seine Gunst
gewinnen konnte, als durch Widmung166 eines wertvollen Buches für seine
Bibliothek. Autoren, Verleger und Buchbinder wetteiferten daher, ihm ihre
Erzeugnisse darzubringen, und zwar um so lieber, als im Falle der Annahme
neben der Auszeichnung immer eine den Wert des Buches übersteigende Ge-
gengabe in Aussicht stand.“167
Noch expliziter geht Wilhelm Beetz 1935 auf die Intentionen der Überrei-
chenden ein:
„Es freute ihn, wenn ihm ein Werk gewidmet wurde, ließ sich alle diesbezüg-
lichen Berichte, Vorträge, und Gesuche von seinem Bibliothekar vorlegen und
versah dieselben mit seiner eigenhändigen Entschließung. […] Die von Künst-
lern vorgelegten Stiche oder Lithographien bezahlte er mit einem Vielfachen
des tatsächlichen Wertes in Konventionsmünze oder Dukaten. Diese Ankäufe
waren in den meisten Fällen als eine Unterstützung der Künstler gedacht. Auf
diese Art wurde einer ganzen Reihe damaliger Künstler Unterstützung zu-
teil. Für ihm gewidmete168 Werke gab er fürstliche Geschenke oder namhafte
Geldbeträge als Druckkostenbeitrag. Oft wurde der vom Bibliotheksvorstande
vorgeschlagene Geldbetrag, welcher dem Kaiser als Entlohnung für ein vorge-
legtes Werk zu gering erschien, vom Monarchen selbst erhöht“.169
Ab welchem Zeitpunkt die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. vermehrt mit
Einsendungen aus dem In- und Ausland konfrontiert war, lässt sich auf-
grund der unzureichenden Quellenlage vor 1809 nicht beantworten. Da die
Sammelleidenschaft des Kaisers in seiner Zeit als Erzherzog am Wiener Hof
nicht öffentlich bekannt gewesen sein dürfte und die ersten zweiundzwanzig
Jahre seiner Regentschaft in eine Zeit teils massivster politischer Wirren
166 Mit Widmung ist hier nicht ‚Dedikation‘, sondern lediglich die Überreichung oder -sendung
einer Druckschrift oder einer Grafik an den Kaiser gemeint.
167 Payer von Thurn, Büchern, 77f.
168 Hier ist eine Dedikation an den Kaiser gemeint.
169 Beetz, Porträtsammlung (1935), 8f.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
Metamorphosen einer Sammlung
- Titel
- Die Familien-Fideikommissbibliothek des Hauses Habsburg-Lothringen 1835–1918
- Untertitel
- Metamorphosen einer Sammlung
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21308-6
- Abmessungen
- 17.4 x 24.5 cm
- Seiten
- 1073
- Kategorien
- Geschichte Chroniken