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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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altes Fruchtbarkeitssymbol; der Pilz ist ein unzweifelhaftes Penissymbol, es gibt Pilze, die ihrer unverkennbaren Ähnlichkeit mit dem männlichen Glied ihren systematischen Namen verdanken (Phallus impudicus); das Hufeisen wiederholt den Umriß der weiblichen Geschlechtsöffnung, und der Rauchfangkehrer, der die Leiter trägt, taugt in diese Gemeinschaft, weil er eine jener Hantierungen übt, mit denen der Geschlechtsverkehr vulgärerweise verglichen wird (S. die Anthropophyteia). Seine Leiter haben wir im Traume als Sexualsymbol kennengelernt; der deutsche Sprachgebrauch kommt uns hier zu Hilfe, der uns zeigt, wie das Wort »steigen« in exquisit sexuellem Sinn angewendet wird. Man sagt: »Den Frauen nachsteigen« und »ein alter Steiger«. Im Französischen, wo die Stufe la marche heißt, finden wir ganz analog für einen alten Lebemann den Ausdruck »un vieux marcheur«. Daß der Geschlechtsverkehr vieler großer Tiere ein Steigen, Besteigen des Weibchens, zur Voraussetzung hat, ist diesem Zusammenhang wahrscheinlich nicht fremd. Das Abreißen eines Astes als symbolische Darstellung der Onanie stimmt nicht nur zu vulgären Bezeichnungen des onanistischen Aktes, sondern hat auch weitgehende mythologische Parallelen. Besonders merkwürdig ist aber die Darstellung der Onanie oder besser der Strafe dafür, der Kastration, durch Zahnausfall und Zahnausreißen, weil sich dazu ein Gegenstück aus der Völkerkunde findet, das den wenigsten Träumern bekannt sein dürfte. Es scheint mir nicht zweifelhaft, daß die bei so vielen Völkern geübte Beschneidung ein Äquivalent und eine Ablösung der Kastration ist. Und nun wird uns berichtet, daß in Australien gewisse primitive Stämme die Beschneidung als Pubertätsritus ausführen (zur Mannbarkeitsfeier der Jugend), während andere, ganz nahe wohnende, an Stelle dieses Aktes das Ausschlagen eines Zahnes gesetzt haben. Ich beende meine Darstellung mit diesen Proben. Es sind nur Proben; wir wissen mehr darüber, und Sie mögen sich vorstellen, um wie viel reichhaltiger und interessanter eine derartige Sammlung ausfallen würde, die nicht von Dilettanten wie wir, sondern von den richtigen Fachleuten in der Mythologie, Anthropologie, Sprachwissenschaft, im Folklore angestellt wäre. Es drängt uns zu einigen Folgerungen, die nicht erschöpfend sein können, aber uns viel zu denken geben werden. Fürs erste sind wir vor die Tatsache gestellt, daß dem Träumer die symbolische Ausdrucksweise zu Gebote steht, die er im Wachen nicht kennt und nicht wiedererkennt. Das ist so verwunderlich, wie wenn Sie die Entdeckung machen würden, daß Ihr Stubenmädchen Sanskrit versteht, obwohl Sie wissen, daß sie in einem böhmischen Dorf geboren ist und es nie gelernt hat. Es ist nicht leicht, diese Tatsache mit unseren psychologischen Anschauungen zu bewältigen. Wir können nur sagen, die Kenntnis der Symbolik ist dem Träumer unbewußt, sie gehört seinem unbewußten Geistesleben an. Wir kommen aber auch mit dieser Annahme nicht nach. Bisher hatten wir nur notwendig, unbewußte Strebungen anzunehmen, solche, von denen man zeitweilig oder dauernd nichts weiß. Jetzt aber handelt es sich um mehr, geradezu um unbewußte Kenntnisse, um Denkbeziehungen, Vergleichungen zwischen verschiedenen Objekten, die dazu führen, daß das eine konstant an Stelle des anderen gesetzt werden kann. Diese Vergleichungen werden nicht jedesmal neu angestellt, sondern sie liegen bereit, sie sind ein- für allemal fertig; das geht ja aus ihrer Übereinstimmung bei verschiedenen Personen, ja vielleicht Übereinstimmung trotz der Sprachverschiedenheit, hervor. Woher soll die Kenntnis dieser Symbolbeziehungen kommen? Der Sprachgebrauch deckt nur einen kleinen Teil derselben. Die vielfältigen Parallelen aus anderen Gebieten sind dem Träumer 98
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Titel
Schriften von Sigmund Freud
Untertitel
(1856–1939)
Autor
Sigmund Freud
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
21.6 x 28.0 cm
Seiten
2789
Schlagwörter
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Kategorien
Geisteswissenschaften
Medizin
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