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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
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Aus unseren Parallelen zur Traumsymbolik können Sie aber auch Schätzung für den Charakter der Psychoanalyse gewinnen, der sie befähigt, Gegenstand des allgemeinen Interesses zu werden, wie weder die Psychologie noch die Psychiatrie es konnten. Es spinnen sich bei der psychoanalytischen Arbeit Beziehungen zu so vielen anderen Geisteswissenschaften an, deren Untersuchung die wertvollsten Aufschlüsse verspricht, zur Mythologie wie zur Sprachwissenschaft, zum Folklore, zur Völkerpsychologie und zur Religionslehre. Sie werden es verständlich finden, daß auf psychoanalytischem Boden eine Zeitschrift erwachsen ist, welche sich die Pflege dieser Beziehungen zur ausschließlichen Aufgabe gemacht hat, die 1912 gegründete, von Hanns Sachs und Otto Rank geleitete Imago. In all diesen Beziehungen ist die Psychoanalyse zunächst der gebende, weniger der empfangende Teil. Sie hat zwar den Vorteil davon, daß uns ihre fremdartigen Ergebnisse durch das Wiederfinden auf anderen Gebieten vertrauter werden, aber im ganzen ist es die Psychoanalyse, welche die technischen Methoden und die Gesichtspunkte beistellt, deren Anwendung sich auf jenen anderen Gebieten fruchtbar erweisen soll. Das seelische Leben des menschlichen Einzelwesens ergibt uns bei psychoanalytischer Untersuchung die Aufklärungen, mit denen wir manches Rätsel im Leben der Menschenmassen lösen oder doch ins rechte Licht rücken können. Übrigens habe ich Ihnen noch gar nicht gesagt, unter welchen Umständen wir die tiefste Einsicht in jene supponierte »Grundsprache« nehmen können, auf welchem Gebiet am meisten von ihr erhalten ist. Solange Sie dies nicht wissen, können Sie auch die ganze Bedeutung des Gegenstandes nicht würdigen. Dies Gebiet ist nämlich die Neurotik, sein Material die Symptome und andere Äußerungen der Nervösen, zu deren Aufklärung und Behandlung ja die Psychoanalyse geschaffen worden ist. Mein vierter Gesichtspunkt kehrt nun wieder zu unserem Ausgang zurück und lenkt in die uns vorgezeichnete Bahn ein. Wir sagten, auch wenn es keine Traumzensur gäbe, würde der Traum uns doch noch nicht leicht verständlich sein, denn dann fänden wir uns vor der Aufgabe, die Symbolsprache des Traumes in die unseres wachen Denkens zu übersetzen. Die Symbolik ist also ein zweites und unabhängiges Moment der Traumentstellung neben der Traumzensur. Es liegt aber nahe anzunehmen, daß es der Traumzensur bequem ist, sich der Symbolik zu bedienen, da diese zu demselben Ende, zur Fremdartigkeit und Unverständlichkeit des Traumes, führt. Ob wir bei weiterem Studium des Traumes nicht auf ein neues Moment, welches zur Traumentstellung beiträgt, stoßen werden, muß sich ja alsbald zeigen. Das Thema der Traumsymbolik möchte ich aber nicht verlassen, ohne nochmals das Rätsel zu berühren, daß sie auf so heftigen Widerstand bei den Gebildeten stoßen konnte, wo die Verbreitung der Symbolik in Mythus, Religion, Kunst und Sprache so unzweifelhaft ist. Ob nicht wiederum die Beziehung zur Sexualität die Schuld daran trägt? [◀ ] 100
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Titel
Schriften von Sigmund Freud
Untertitel
(1856–1939)
Autor
Sigmund Freud
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
21.6 x 28.0 cm
Seiten
2789
Schlagwörter
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Kategorien
Geisteswissenschaften
Medizin
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