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Schriften von Sigmund Freud - (1856–1939)
Seite - 2712 -
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[33] Ein Beitrag eines andern Motivs zu diesem Zwangseinfall ist nicht abzuweisen: des Wunsches, sie wehrlos gegen seine Absichten zu wissen. [34] Man muß also zugeben, daß es für die Zwangsneurose zweierlei Wissen und Kennen gibt, und darf mit dem gleichen Rechte behaupten, der Zwangskranke »kenne« seine Traumen, wie, daß er sie nicht »kenne«. Er kennt sie nämlich, insofern er sie nicht vergessen hat, er kennt sie nicht, da er nicht ihre Bedeutung erkennt. Es ist im normalen Leben oft auch nicht anders. Die Kellner, die den Philosophen Schopenhauer in seinem Stammgasthaus zu bedienen pflegten, »kannten« ihn in gewissem Sinne zu einer Zeit, da er sonst in und außerhalb Frankfurt unbekannt war, aber nicht in dem Sinne, den wir heute mit der »Kenntnis« von Schopenhauer verbinden. [35] Es ist hervorzuheben, daß die Flucht in die Krankheit ihm durch die Identifizierung mit dem Vater ermöglicht wurde. Diese gestattete ihm die Regression der Affekte auf die Kindheitsreste. [36] Vgl. Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905 d). [37] Die Alternative war unvollständig. An den häufigsten Ausgang so vorzeitiger Leidenschaftlichkeit, an den in Neurose, hatte der Vater nicht gedacht. [38] Man hat es in den Psychoanalysen häufig mit solchen Begebenheiten aus den ersten Kinderjahren zu tun, in denen die infantile Sexualtätigkeit zu gipfeln scheint und häufig durch einen Unfall oder eine Bestrafung ein katastrophales Ende findet. Sie zeigen sich schattenhaft in Traumen an, werden oft so deutlich, daß man sie greifbar zu besitzen vermeint, aber sie entziehen sich doch der endgültigen Klarstellung, und wenn man nicht mit besonderer Vorsicht und mit Geschick verfährt, muß man es unentschieden lassen, ob eine solche Szene wirklich vorgefallen ist. Auf die richtige Spur der Deutung wird man durch die Erkenntnis geführt, daß von solchen Szenen mehr als eine Version, oft sehr verschiedenartige, in der unbewußten Phantasie des Patienten aufzuspüren sind. Wenn man in der Beurteilung der Realität nicht irregehen will, muß man sich vor allem daran erinnern, daß die »Kindheitserinnerungen« der Menschen erst in einem späteren Alter (meist zur Zeit der Pubertät) festgestellt und dabei einem komplizierten Umarbeitungsprozeß unterzogen werden, welcher der Sagenbildung eines Volkes über seine Urgeschichte durchaus analog ist. Es läßt sich deutlich erkennen, daß der heranwachsende Mensch in diesen Phantasiebildungen über seine erste Kindheit das Andenken an seine autoerotische Betätigung zu verwischen sucht, indem er seine Erinnerungsspuren auf die Stufe der Objektliebe hebt, also wie ein richtiger Geschichtsschreiber die Vergangenheit im Lichte der Gegenwart erblicken will. Daher die Überfülle von Verführungen und Attentaten in diesen Phantasien, wo die Wirklichkeit sich auf autoerotische Betätigung und auf Anregung dazu durch Zärtlichkeiten und Strafen beschränkt. Ferner wird man gewahr, daß der über seine Kindheit Phantasierende seine Erinnerungen sexualisiert, d.  h., daß er banale Erlebnisse mit seiner Sexualbetätigung in Beziehung bringt, sein Sexualinteresse über sie ausdehnt, wobei er wahrscheinlich den Spuren des wirklich vorhandenen Zusammenhanges nachfährt. Daß es nicht die Absicht dieser Bemerkungen ist, die von mir behauptete Bedeutung der infantilen Sexualität nachträglich durch die Reduktion auf das Sexualinteresse der Pubertät herabzusetzen, wird mir jeder glauben, der die von mir mitgeteilte ›Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben‹ im Gedächtnis hat. Ich beabsichtige nur, technische Anweisungen zur Auflösung jener Phantasiebildungen zu geben, welche dazu bestimmt sind, das Bild jener infantilen Sexualbetätigung zu verfälschen. 2712
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Schriften von Sigmund Freud (1856–1939)
Titel
Schriften von Sigmund Freud
Untertitel
(1856–1939)
Autor
Sigmund Freud
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
Abmessungen
21.6 x 28.0 cm
Seiten
2789
Schlagwörter
Psychoanalyse, Traumdeutung, Sexualität, Angst, Hysterie, Paranoia, Neurologie, Medizin
Kategorien
Geisteswissenschaften
Medizin
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