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VN-Sicherheitsrat reagierte zunächst mit Sanktionen (Reiseverbote, Einfrieren von
Konten) und überwies aufgrund der Vorwürfe von Kriegsverbrechen und Verbrechen
gegen die Menschlichkeit die Angelegenheit an den Internationalen Strafgerichtshof
(IStGH). Mit Resolution 1973 vom 17. März 2011 legitimierte das höchste VN-Gremi-
um zudem mit zehn Ja-Stimmen und fünf Enthaltungen (darunter Deutschland) eine
Militärintervention im Rahmen der Schutzverantwortung (Responsibility to Protect,
R2P). Das externe Eingreifen führte zu einem militärischen Regimesturz, der durch
den Wortlaut der Resolution nicht abgedeckt war. Dem Land hat die Intervention
bisher weder Frieden noch Demokratie gebracht. Stattdessen herrschen fast zehn
Jahre nach dem Regimesturz Staatsverfall und ein internationalisierter Bürgerkrieg.
Häufiger reagieren externe Akteure wie die USA oder die EU auf Fälle, in denen
Staaten unverhältnismäßigen Zwang ausüben, indem sie nicht-militärische Sanktio-
nen androhen und mitunter auch verhängen. Das Spektrum der Maßnahmen
innerhalb dieser zweiten Strategie lässt sich gut am Fall Venezuela aufzeigen.1 Die
USA, die aus anderen Gründen ohnehin bereits in den Vorjahren Sanktionen gegen
das Land verhängt hatten, zogen die Daumenschrauben zu Beginn des Jahres 2019 an. Verhängung von
nicht-militärischen
Sanktionen erfolgt
häufig als Reaktion
auf staatliche Gewalt
Strategie Potenzielle Vorteile Potenzielle Nachteile Ausgewählte Beispiele
Militärischer Regimesturz Ende von Unrechtsherrschaft Gewaltsamer Staatsverfall und
Eskalation zum (internationali-
sierten) Bürgerkrieg Libyen (2011)
Androhung bzw. Verhängung
nicht-militärischer Sanktionen Einhegung staatlicher Repres-
sion, Ahndung von Menschen-
rechtsverletzungen, Ermögli-
chung von Verhandlungslösung
durch Druck auf Regierung „Wagenburg-Effekt“, Behin-
derung inklusiver Lösungen,
übermäßige Parteinahme Venezuela (seit 2017)
Konfliktvermittlung und nationale
Dialogprozesse Konflikttransformation und
Demokratisierung Instrumentalisierung durch
Konfliktparteien, Verfestigung
bestehender Konfliktursachen
bzw. Behinderung struktureller
Veränderungen Sudan (2018), Ukraine (2014)
Politische, materielle und symboli-
sche Unterstützung von Protest-
akteuren Förderung von Protestakteuren Wecken falscher Hoffnungen,
diplomatische Verstimmung,
Aufgabe von Neutralität Arabischer Frühling (2010–2011,
z.B. Ägypten, Tunesien), Vene-
zuela (seit 2019)
Politik der Zurückhaltung Offenhalten diplomatischer Ka-
näle, mögliche Vermittlerrolle „Freibrief“ für Repression China / Hongkong (seit 2019)
Regimestabilisierung Stärkung des staatlichen Gewalt-
monopols, kurzfristige politische
Stabilisierung Akzeptanz von Menschenrechts-
verletzungen, Risiken der Radi-
kalisierung und der mittel- bis
langfristigen Destabilisierung Ägypten (seit 2013)
25 Externe Strategien gegenüber Anti-Regime-Protesten Quelle → 2 /91
friedensgutachten / 2020
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Titel
- Friedensgutachten 2020
- Untertitel
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Abmessungen
- 21.0 x 28.5 cm
- Seiten
- 162
- Schlagwörter
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Kategorie
- Recht und Politik