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haben. Xi spricht angesichts des 70. Jahrestags der VR gar vom Ende einer 100jähri-
gen Demütigung. Beide Staaten vertreten ein staatszentriertes ordnungspolitisches
Modell, in dessen Zentrum das Prinzip nationaler Souveränität steht. Regulierungs-
ansprüchen internationaler Institutionen, die sich auf Politiken innerhalb der Staa-
ten auswirken, stehen sie entsprechend skeptisch gegenüber. Darunter fallen sowohl
menschenrechtliche Vorgaben und Standards von good governance als auch weiterge-
hende Handels- und Produktregulierungen.
In den vergangenen Jahren haben die beiden Staaten ihre Kooperation deutlich inten-
siviert. Zwischen 2011 und 2018 wuchs das bilaterale Handelsvolumen zwischen
China und Russland um fast ein Drittel auf rund 108 Mrd. US-$. China und Russland
haben auch ihre militärische und sicherheitspolitische Zusammenarbeit stark ausge-
baut. Das bezeugen mehr als 25 gemeinsame Manöver, an denen teilweise auch andere
Staaten beteiligt waren, zuletzt im Dezember 2019 unter Beteiligung Irans, ebenso wie
der Anstieg russischer Rüstungsexporte nach China, die russische Unterstützung in
der Entwicklung des chinesischen Raketenabwehrsystems sowie Kooperationsab-
kommen im Bereich der Cybersicherheit (2015) oder der Weltraumerkundung (2019)
(→ Xinhua 2019).
Innerhalb internationaler Institutionen lässt sich ein gemischtes Bild der Zusammen-
arbeit beobachten. Während China proaktiv seine Interessen umzusetzen versucht
und, wenn das nicht gelingt, neue Institutionen gründet, verfolgt Russland eher eine
Blockade- und Obstruktionspolitik. Gemeinsame Strategien lassen sich aber in den
Vereinten Nationen und mit Blick auf neue und regionale Organisationen beobachten.
In den großen Weltwirtschaftsinstitutionen nimmt China – wenig überraschend –
eine proaktive Rolle ein, da seine exportorientierte Wirtschaft vom Freihandelsre-
gime profitiert. China versucht, multilaterale Handelsliberalisierung mit Flexibilität
und Freiräumen bei der Ausgestaltung nationaler Politiken in Einklang zu bringen.
Die VR wehrt sich gegen eine Ausweitung des Regelungsbereichs des WTO-Regimes
auf Aspekte „hinter den Grenzen“ (z.B. Wettbewerbsrecht) und befürwortet eine
unterschiedliche Anwendung der Handelsregeln auf entwickelte Staaten und Ent-
wicklungsländer, um faire Entwicklungschancen zu ermöglichen. Es ist nicht zuletzt
auch der Streit darüber, ob der Status des Entwicklungslandes auf China und die
BRICS (außer Russland) angewandt wird, der die Doha-Runde blockiert hat.2 Chinas
Anliegen, die Bretton-Woods-Institutionen zu reformieren, hat 2010 erste Früchte
getragen, als die Verteilung der Stimmanteile im Internationalen Währungsfonds neu
geregelt wurde. Inzwischen gehören China und Russland zu den zehn Staaten mit den
meisten Stimmen (China: 6,1 %, Russland: 2,6 %), auch wenn sie nach wie vor über
deutlich geringere Stimmenanteile als die USA (16,5 %) oder die Eurozonen-Staaten
(21,5 %) verfügen. China und Russland
intensivieren Handel
und militärische
Zusammenarbeit 4
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friedensgutachten / 2020
Friedensgutachten 2020
Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Titel
- Friedensgutachten 2020
- Untertitel
- Im Schatten der Pandemie: letzte Chance für Europa
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5381-0
- Abmessungen
- 21.0 x 28.5 cm
- Seiten
- 162
- Schlagwörter
- Frieden, Bewaffnete Konflikte, Sicherheit, Internationale Politik, Entwicklungszusammenarbeit, Krieg, Gewalt, Politik, Konfliktforschung, Globalisierung, Politikwissenschaft
- Kategorie
- Recht und Politik