Seite - 246 - in Generative Bildarbeit - Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
Bild der Seite - 246 -
Text der Seite - 246 -
246
2007). Unter Einbeziehung ihrer Herstellungs-, Darstellungs- und Rezeptions-
kontexte können Fotografien als Zeichen ihrer Zeit betrachtet werden. Es
muss nach dem jeweiligen Entstehungsort von Bildern gefragt werden und in
der Folge auch nach diversen weiteren Orten, je nachdem wo und wie sie
gezeigt, gesehen und verwendet werden. Wenn dementsprechend Praktiken,
Regeln, Nutzung und Erwartungen hinterfragt werden, führen Fotografien
als Dispositive (Foucault 1978) zu neuer Erkenntnis. Sobald eine_r ein Foto
macht, eine weitere Person als Motiv zur Verfügung steht und wieder andere
das Foto später betrachten, kann die Abgrenzung zwischen dem Eigenen und
dem Anderen sowie der Wirkkraft des Bildes selbst verschwimmen. Wird
diesem vielschichtigen Zusammenhang Beachtung geschenkt und der Entste-
hungs-, Verwendungs-, Verweisungs- und Verwandlungszusammenhang mit
in den Blick gefasst, eröffnet sich ein transdisziplinärer Forschungsraum,
in dem Erkenntnis auf verschiedenen Ebenen generiert werden kann — sei es
in Form eines vertieften wechselseitigen Verstehens oder eines Erkennens
gemeinsamer Herausforderungen. Unter Beachtung dieses Zusammenhangs
in der transdisziplinären Erforschung von Lebenswelten eröffnet sich ent-
sprechend die Möglichkeit, einen Dritten Raum (Bhabha 2004) aufzuspannen,
der sich aus dem Überschreiten des Alltäglichen, der Lebenswelt und der
Wissenschaft konstituiert. Homi Bhabha konzeptualisiert diesen Dritten
Raum (ebd.: 55) als theoretischen Vorschlag für einen angemessenen Umgang
mit kulturellen Differenzen. In der praktischen Umsetzung kann darin die
organisierte Selbstreflexion zur Grundlage „für bewusstes Wahrnehmen von
und Umgehen mit Differenz“ (Jäggle/Krobath 2010: 57) werden. Hier können
soziale Widersprüche verhandelt, Handlungsmöglichkeiten ausgelotet werden.
Es geht hier nach Bhabha um die Erschließung eines Artikulationsraums,
in dem das Eigene, das Fremde und die Differenzen immer wieder aufs Neue
ausgelotet, gedeutet und verhandelt werden können.
“It is that Third Space, though unrepresentable in itself, which consti-
tutes the discursive conditions of enunciation that ensure that the
meaning and symbols of culture have no primordial unity or fixity; that
even the same signs can be appropriated, translated, rehistoricized and
read anew.” (Bhabha 2004: 55)
In diesem Dritten Raum können bestehende Strukturen, Machtverhältnisse
und Abhängigkeiten zumindest für kurze Zeit ausgehebelt werden, nämlich
dann, wenn erfahrbare Differenzen artikuliert und damit greifbar werden.
Was Menschen an Unterschieden in ein Gruppengefüge mitbringen, gilt es zu
benennen und zu verhandeln.
“These ‚inbetween‘ spaces provide the terrain for elaborating
strategies of selfhood — singular or communal — that initiate new
signs of identity, and innovative sites of collaboration, and
contestation, in the act of defining the idea of the society itself.”
(ebd.: 2)
Generative Bildarbeit
Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Titel
- Generative Bildarbeit
- Untertitel
- Zum transformativen Potential fotografischer Praxis
- Autor
- Vera Brandner
- Verlag
- transcript Verlag
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-5008-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 276
- Schlagwörter
- Forschendes Lernen, Fotografische Praxis, Methodik, Generative Bildarbeit, Grenzarbeit, Kulturelle Differenz, Praxeologie, Selbstversuch, Reflexive Grounded Theory, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmungen, Situationalität, Reflexivität
- Kategorie
- Medien