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Den Ursprung der Trennung von Nieder- und Hochgerichten sieht Neef in der
fränkischen Gerichtsreform mit der Scheidung in Grafen- und Centenargerichte.17
Zur Niedergerichtsbarkeit zählen die causae minores, leichtere Straffälle, wie Schuld-
und Fahrnisklagen, Vergehen bzgl Weg und Steg, Vernachlässigung auferlegter Straßen-
und Brückenerhaltung, Zaunpflicht, Ableiten von Wasserläufen, Umhauen von Zaun oder
Gatter, Viehschaden, Grenzverletzungen, Grenzstein versetzen, Fruchtdiebstahl am Feld,
kleiner Diebstahl bis zum Wert von 5 Gulden, das Legen eines Hinterhalts, leichte
Verwundungen, Rauf- oder Rumorhändel, Maß- und Gewichtsvergehen, Probleme bzgl
Robot-Diensten, Steuereinziehung, Beleidigungen, übler Nachrede, Feilbieten verbotener
Waren, verbotener Glücksspiele, usw. Als Strafen konnten dafür je nach Fall Geldbußen,
Gefängnishaft, Ehrlosigkeit-Erklärung oder Verbannung verhängt werden.18
Die der jeweiligen Herrschaft im Allgemeinen zustehende niedere oder patrimoniale
Gerichtsgewalt war an keine besonderen Befähigung gebunden. Für die Schlichtung
von kleineren Delikten und Händeln zwischen den Untertanen bzw Strafen bei
Übertretung der Taiding- Bestimmungen waren die Pfleger und Amtleute der
Herrschaften zuständig, deren Interesse eher im Ökonomischen als im Rechtlichen lag.
Dem herrschaftlichen Amtmann war der Pfleger in Vertretung des Grundherrn
übergeordnet. Schwerwiegendere Vergehen aber oblagen dem Landgericht, dem
Gerichtsstand für Kriminalverbrechen der Untertanen. 19
Der Niedergerichtsbarkeit (judicium inferius, judicium minus, judicium bassum, …), die
geringe Vergehen behandelte, stand die Hochgerichtsbarkeit (jurisdictio alta, jurisdictio
superior), die sogenannte „Formel von den drei Sachen“, nämlich „Diebstahl, Mord,
Notzucht“ gegenüber.20 Die Hochgerichtsbarkeit oblag grundsätzlich dem Landgericht
und erfasste alles, was blutige Körperstrafen nach sich zog.21 Manche
Adelsgeschlechter [im Hagen ua die Herren vWallsee, die Grafen vSchaunberg22]
besaßen durch die Verleihung des Blutbannes die (mittels Bannleihe übertragene)
Gerichtsbarkeit über Kapitalverbrechen. Vom Hochrichter wurden sowohl Todes- als auch
Verstümmelungsstrafen verhängt. Der deutsche König beanspruchte die alta iustitia infra
limites regni, die Hochgerichtsbarkeit, welche Reichs-rechtlich im Statutum in favorem
principum von 1231/32 (Fürstenprivilegien Friedrichs II.) als Recht der Landesherren
ausdrücklich anerkannt wurde.23
Aufgrund des „ius gladii“ (Recht des Schwertes), auch als „Blutbann“, „Halsgericht“ oder
Hochgerichtsbarkeit bezeichnet, durften Gerichtsherren in „peinlichen Sachen“ über
Leib und Blut der Untertanen richten, wie dies ua die Landgerichtsordnung Ks Ferdinands
III. im Jahre 1656 festlegte.24 Betroffen waren Vergehen wie Raub, Mord, Kindesmord,
Formen von Diebstahl, Notzucht, Hexerei, Zauberei. Die Strafen richteten sich jeweils
nach den Verbrechen (zB für Kindesmörderinnen > Ertränken, Notzucht > Feuertod, Mord
> Rädern). Todesurteile, welche in der Regel Personen der sozialen Unterschicht
17 HRG, 984.
18 Kocher, Landgerichtsbarkeit, 107. HRG, 983ff. Harth, Patrimonale Gerichtsbarkeit, 122; tractatus de
juribus incorporalibus vom 13. März 1679. Codex Austriacus, I, 581ff. Internet,
http://de.wikisource.org/wiki/pedia.org/wiki/Kaiser_FerdinandI.:_Lehensbrief....;
...http://de.wikipedia.org/wiki//Blutgerichtsbarkeit;
http://www.uni-protokolle.de/lexikon/Hochgerichtsbarkeit.html
19 Kocher, Landgerichtsbarkeit, 108. Vgl auch AK Stift Rein, 47.
20 HRG, 983ff.
21 Kocher, Strafrechtsgeschichte, 23. Streitt, PI 14. Juni 2011.
22 Schäffer, Adelsgeschlechter Hagen, 303ff, 267ff, 318ff.
23 HRG, 172ff.
24 Kocher, Landgerichtsbarkeit, 107. AK Greillenstein, 27f. Peinlich = Strafe, vom lateinischen Wort poena;
(s.u.); vMezler-Andelberg, einige PI, ua 28. Juni 1999.
Gerichtsbarkeit und Gerichtssäulen der ehemaligen Herrschaft Hagen bei Linz
- Titel
- Gerichtsbarkeit und Gerichtssäulen der ehemaligen Herrschaft Hagen bei Linz
- Autoren
- Hanna Schäffer
- Herbert Schäffer
- Verlag
- Eigenverlag Schäffer
- Ort
- Linz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 64
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918