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Berliner Germanistik. Er verwies auf die publizistischen Einmischungen
des deutschnationalen und antisemitischen Verfassers von populären Li-
teraturgeschichtenAdolf Bartels, auf „die von anderer Seite für denBer-
linerExtraordinariusRichardMoses [!]Meyer93 [geschlagene]Trommel“
und auf dieWortmeldungen der „ganz rechts stehende[n] katholische[n]
Kampfblätter“, die „für die Vertreter ihrer Anschauungen“ allesamt
„Stimmung zumachen“ trachteten.94
Tatsächlich waren die Nachfolgeverhandlungen um den Berliner
LehrstuhlErichSchmidtsvoneinerbisdahinunbekanntenpublizistischen
Einmischung verschiedenster Blätter geprägt. Die öffentliche Aufmerk-
samkeit fürdieNachbesetzungsverhandlungen inWienwar,wennsie sich
auchmitdenBerlinerAgitationennicht gleichsetzen ließ, ebenfalls höher
als bei allen anderen Berufungsangelegenheiten zuvor. Die Tagespresse
berichtete kontinuierlich über den Stand der Verhandlungen, war also
erstaunlich gut informiert undpropagierte nebenBernhardSeuffert95 vor
allemdenzunächst favorisiertenAugustSauer.96SogarKarlKraussparte in
seiner ZeitschriftDie Fackel nicht mit sarkastischen Kommentaren, mit
denener sich jedochnicht anderKandidatensuchebeteiligte, sonderndie
Notwendigkeit eines Lehrstuhls fürLiteratur überhaupt inFrage stellte.97
Carl vonKraus zeichnetemit demHinweis auf die öffentlichenAuf-
regungen umdie Berliner Besetzungsangelegenheit ein unheilvolles Bild,
daser jedochnichtmitähnlichenBeispielenausÖsterreichversah.Worum
93 Gemeint ist der jüdischeGermanistRichardMoritzMeyer, demCarl vonKraus,
wieandereKollegenauch, inantisemitischemPopulismusdenzweitenVornamen
Moses gab.
94 AlleZitate: Brief vonKraus andasMinisterium fürKultus undUnterricht vom
15.November 1913,ÖStA,AVA,MCU,Zl. 55233 ex 1913.
95 SobezeichneteRobertHohlbaumSeuffert als „jenenMann“, „der jetzt die Füh-
rerschaft der österreichischenLiteraturhistoriker übernehmenwird“.Hohlbaum:
JakobMinor (1912), S. 9.
96 Bereits drei Tage nach dem Tod Minors hatte die Neue Freie Presse von der
„feststehende[n]Tatsache“berichtet, „daßderProfessoranderhiesigendeutschen
Universität,HofratAugustSauer,alsNachfolgerJakobMinorsnachWienberufen
wird“. [Anonym:]HofratProfessorDr.Minor(1912).ÄhnlichauchnochAnfang
1913, vgl. [Anonym:] VomWiener Germanistischen Seminar (1913). Zu den
publizistisch ausgetragenenQuerelen vgl. außerdemHock:DieNachfolge Jakob
Minors (1914); [Anonym:]Die Besetzung der LehrkanzelMinors (1914); [An-
onym:]ZurNeubesetzung der Lehrkanzel ProfessorMinors (1914); [Anonym:]
DerNachfolgerMinors inWien (1914).
97 KarlKraus:WenndieLehrkanzelnichtbesetzt ist (1914);ders.:DieKatastrophe
(1914); ders.: Besetzt (1914). I.2. Der Bruch 35
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher