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Die vomGrazer Rektor Otto Cuntz in dieser Angelegenheit einge-
holten Gutachten der theologischen, juristischen, medizinischen und
philosophischenFakultät lassenanDeutlichkeitnichtszuwünschenübrig.
Die theologischeFakultät lehnte in ihrerSitzungvom24.November1919
die Zulassung von Frauen zur Privatdozentur einstimmig und mit nur
einemSatz ab.36Eine Begründung findet sich imbetreffenden Sitzungs-
protokoll nicht.Dafür ist auf demBrief des Rektors an die theologische
Fakultät, die genau genommen vomMinisterium als einzige gar nicht
angesprochen war, von fremder Hand eine Art Rechtfertigung notiert.
Darin heißt es, dass „Frauen, wie die allgemeine Erfahrung zeigt, inwis-
senschaftlichen Arbeiten mit denMännern nicht konkurrieren können,
trotzdem sie Gelegenheit genug gehabt haben, sich wissenschaftlich zu
betätigen“.GeschlossenwirddiesekurzeNotizmitderAbwandlungeines
Bibelzitats: „Mulier taceat non solum in Ecclesia, sed etiam inUniversi-
tate.“37DiejuristischeFakultät schloss sichinderSitzungam7.November
1919 demAntragGustavHanauseks, „sich grundsätzlich gegen die Zu-
lassung auszusprechen“, knapp, aber doch,mit fünf gegen vier Stimmen,
an.38Die medizinische Fakultät sprach sich gegen eine „regelmässig[e]“
Zulassung aus, erhob aber „keine prinzipiellen Bedenken gegen die Be-
werbung in ganz ausnahmsweisenFällen“.39
Die philosophische Fakultät beschäftigte sich mit dem Thema um
einigesausführlicheralsdiebereitsgenannten,warsieauchdieeinzige,der
tatsächlich das Habilitationsgesuch einer Frau vorlag. Die eigens einge-
setzte Kommission, bestehend aus dem Physiker Hans Benndorf, den
beidenGermanisten Bernhard Seuffert undKarl Polheim, den Biologen
KarlLinsbauerundRudolfScharfetter sowiedemHistorikerHeinrichvon
Srbik, beschloss, „dass vonweiblichenKandidaten derNachweis des ge-
sicherten wissenschaftlichen Rufes als unentbehrliche Voraussetzung der
36 Protokollder2.ordentlichenSitzungdesProfessorenkollegiumsdertheologischen
Fakultät vom 24. November 1919 (Schriftführer: Anton Michelitsch); UAG,
Theol. Fak., Z. 118 ex 1919/20.
37 Notiz auf dem Brief des Rektors Cuntz an die theologische Fakultät vom
30.Oktober1919;UAG,Theol.Fak.Z.73ex1919/20.–„DieFrausollnichtnur
in derKirche, sondern auch an derUniversität schweigen.“ (Originalzitat aus 1.
Korinther 14,34: „Mulieres in ecclesiis taceant“.)
38 Protokoll der 2. ordentlichen Sitzung des Professorenkollegiums der rechts- und
staatswissenschaftlichenFakultätvom7.November1919;UAG,Jur.Fak.,Z.303
ex 1919/20.
39 Stellungnahme der medizinischen Fakultät, o.D.; UAG,Med. Fak., Z. 300 ex
1918/19. II.1. ZwischenUniversität und Staatsverfassung 95
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher