Seite - 118 - in Germanistik in Wien - Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
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gegenüber; seinMachtanspruch und seine Besitzansprüche an die Frau
werden immer, wenn zumeist auch ironisch, als unberechtigt dargestellt;
hervorgehoben werde dafür der selbständige und souveräne Status der
Frauenfiguren.WiedieRomantikerhabeFischer, soTouaillonweiter, die
Ehe reformiert und leichter lösbar sehen wollen; in ihrem RomanDie
Honigmonathe habe sie deshalb ein Ehekonzept entwickelt, das dem von
GoethesWahlverwandtschaftenähnlichsei: IndiesemKonzept solldieEhe
nur auf Zeit geschlossen werden und alle fünf Jahre erneuert oder ge-
schiedenwerden, womit, wieTouaillon betont, „nicht etwa einer Locke-
rungder ehelichenBandedasWort geredet“, sondernnurder „Verödung
undVersumpfung des Alltags“ Einhalt gebotenwerde. (Touaillon 1919,
617)
Mit ihrenAnsichten über die Frauenfrage habe Fischer Pionierarbeit
geleistet.Wennüberhaupt von „Vorläufer[n]“ gesprochenwerden könne,
dann seiendieseTouaillon zufolgeMaryWollstonecraftsAVindication of
theRights of Woman (1792) undTheodorGottlieb vonHippelsÜber die
bürgerlicheVerbesserungderWeiber (1792).MitderBritinverbindeFischer
nämlichdieForderungnachderumfassendenAufklärungvonFrauenüber
sexuelleFragen,nach ihrer Selbstbestimmung sowie „nachEntfaltungder
weiblichen Persönlichkeit […] zu bewußter Würde“. Im Vergleich mit
HippelwiederumzeigesicheineauffallendeÄhnlichkeitderRhetorikund
der Anschauungen. In einer scharfen „Polemik gegen denMann“werde
vonbeiden„inzugespitztenAntithesen“,mit„bittere[m]Hohn“undeiner
„Sprache derÜberlegenheit“ die „passive Existenz derWeiber“ verurteilt
unddavon ausgegangen, dass dieUnterdrückung vonFrauendazu führe,
dass „die Hälfte der menschlichen Kräfte ungekannt, ungeschätzt und
ungebraucht schlummere“. (Touaillon 1919, 622–623)Trotz dieser ins-
gesamtdieGleichberechtigungderGeschlechterpostulierendenAnsichten
von Fischer seien, wie Touaillon bemerkt, in der Gestaltung ihrer Frau-
enfiguren teilweise auch widersprüchliche Tendenzen zu bemerken. So
folge sie zwar dort, wo sie das neue Frauenideal darstelle,Wilhelm von
Humboldts Auffassung, dass „über demGeschlechtscharakter noch ein
reinerMenschheitscharakter“stehe,undentwerfedaherwieerden„Typus
desdrittenGeschlechts“.(Touaillon1919,625–626)DieserseibeiFischer
aber zölibatär gestaltet, also der „Geschlechtsliebe“ gänzlich entzogen.
Touaillon interpretiert diese Auslegung des neuen Frauenbilds durch Fi-
scher als unnötige Einschränkung, die daraus resultiere, dass der Autorin
einVerhältnis zwischenMann undFrau unter gleichberechtigten Bedin-
gungen noch unmöglich erschienen und ihr deshalb „der Ausweg, […]
GeschlechtlichkeitundUnabhängigkeitvonderHerrschaftdesManneszu
II. Christine Touaillon
(1878–1928)118
Germanistik in Wien
Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Titel
- Germanistik in Wien
- Untertitel
- Das Seminar für Deutsche Philologie und seine Privatdozentinnen (1897–1933)
- Autor
- Elisabeth Grabenweger
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-045927-2
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 290
- Schlagwörter
- German literary studies, literary text, history, first female scholars, Wiener Germanistik, Wissenschaftsgeschichte
- Kategorie
- Lehrbücher