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114 Der Kontext der Gegenreformation in Paris 1617 und in Wien 1655
Unmittelbar nach dem Beginn der Herrschaft von Ferdinand II. werden in Wien erst-
mals Güter von »aufständischen«, d. h. aufseiten der protestantischen Partei engagier-
ten Familien konfisziert und Verleihungen des Bürgerrechtes der Stadt an ein beste-
hendes oder durch Konvertierung erfolgtes Bekenntnis zur katholischen Konfession
geknüpft :
Bei der Übernahme der konfiszierten bzw. verlassenen Häuser achtete Ferdinand II. darauf,
neben der »Belohnung« verdienter Adeliger kirchliche Institutionen mit den erforderlichen
Liegenschaften auszustatten. Die Ansiedlung neuer, in Predigt, Katechese, Seelsorge oder
auch im Unterrichtswesen aktiv tätiger Orden fand gerade in den Regierungsjahren Ferdi-
nands II. einen Höhepunkt.36
Ab 1623 werden die Ansuchen auf Einbürgerung protestantischer Einwohner Wiens
deutlich rigoroser gehandhabt, denn ein Eid auf die katholische Religion wird ab die-
sem Zeitpunkt zur Bedingung für einen positiven Bescheid. Mit diesem sogenannten
»Einstandsprivileg« wird eine Verknüpfung von Bürgerrecht in der Stadt, katholischer
Konfession und dem für das Bürgerrecht unabdingbaren Hausbesitz geschaffen, die
alle gegenreformatorischen Maßnahmen der kaiserlichen und kirchlichen Institutio-
nen enorm erleichtert. So z. B. kann der an seine Loyalität zur katholischen Konfession
gebundene Hausbesitzer als Instrument für die Kontrolle des religiösen Bekenntnisses
aller Bewohner seines Hauses eingesetzt werden.
Eine auf Druck der kaiserlichen Politik beschlossene Verordnung des Stadtrates
vom 23. März 1625 fordert bedingungslos alle nichtkatholischen Bewohner zum
Verlassen Wiens auf, was trotz der auferlegten finanziellen Bußen zu einem ersten
Massenexodus führt : »Dessen Höhepunkt läßt sich anhand der bezahlten ›Abfahrts-
gelder‹ – einer Art Abwanderungssteuer in der Höhe von 10 % des Wertes der mit-
genommenen Güter – eindeutig auf die Jahre 1625 und 1626 festlegen. Eine genaue
Bezifferung der protestantischen Abwanderung ist nicht möglich. Es mögen einige
Tausend Emigranten gewesen sein.«37 Im Detail bedeutet das :
Beim städtischen Kammeramt gingen in den Jahren 1625 und 1626 die beträchtlichen Sum-
men von 24.446 fl. bzw. 7.230 fl. ein. Die Zahlen für die Jahre 1625/26 sind nur so zu erklären,
daß die Abwanderungswelle von Protestanten in diesen Jahren ihren Gipfel erreichte. Unter
den Emigranten dieser Jahre befanden sich alle Handels- und Gewerbeberufe, vor allem
aber viele Kaufleute. Es handelte sich somit um Personen aus Berufsgruppen, die in den
36 Stögmann : Staat, Kirche und Bürgerschaft, S. 536f.
37 Weigl : Residenz, Bastion und Konsumptionsstadt, S. 100f.
Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Giambattista Marinos Wort-Zucht-Peitschen und die Gegenreformation in Wien um 1655
- Autor
- Alfred Noe
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79696-1
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 170
- Schlagwörter
- Giambattista Marino, translation italian-german, Counterreformation, Giambattista Marino, Übersetzung italienisch-deutsch, Gegenreformation
- Kategorien
- Weiteres Belletristik