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Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
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74 Eveline G. Bouwers Entscheidung. So fürchtete der führende katholische Politiker Jules Malou, dass »auf die Tausenden von Katholiken, die bereits aus der Kirche ausge- treten sind, Tausende andere hinzukommen werden, und sie kehren nicht mehr in sie zurück«37. Dennoch beharrte das Episkopat auf seiner Überzeu- gung und untersagte kurz darauf Lehrern und Lehrerinnen, Mitgliedern von Schulausschüssen und Schulinspektoren den Empfang aller Sakramente. Um die Erniedrigung einer Sakramentsverweigerung zu vermeiden, verzichteten viele Gläubige folglich auf den Gang in die Kirche. Die bischöfliche Kompromisslosigkeit hatte beträchtliche Folgen. Ers- tens kam es zu einem Bruch der diplomatischen Beziehungen zwischen der belgischen Regierung und dem Heiligen Stuhl. Zweitens verlor die Katholi- sche Partei die Wahlen von 1880 und 1882. Schließlich nahm die Zahl der praktizierenden Katholiken nach 1879 dramatisch ab  – und zwar dauer- haft 38. Hoffnung gab hingegen das wachsende katholische Engagement für den freien Grundschulunterricht. Anfang 1879 gründeten einige Laien ein Komitee, das Petitionen zugunsten des Schulgesetzes von 1842 koordinierte. Zugleich richtete man ein nach kirchlichen Strukturen organisiertes Netz- werk ein, das Katholiken im Umgang mit der Schulreform beriet und die Etablierung des freien Unterrichts voranpreschte. Lokale Schulkomitees, in denen immer auch ein Pfarrer saß, kümmerten sich um die Beschaffung von Räumlichkeiten und Materialien sowie die Anstellung von Lehrern39. Die Arbeit lohnte sich: Am Jahresende 1880 waren 60 % aller belgischen Kin- der an freien Grundschulen eingeschrieben  – in manchen Arrondissements, darunter in Kortrijk, sogar über 90 %40. Der nichtklerikale Widerstand wächst …und geht auf die Straße Die Opposition zum Schulgesetz war vielfältig, doch Historiker haben nahezu nur den »legalen Widerstand« (Jacques Lory) analysiert 41. Ermöglicht wurde die Praxis, die sich am besten als administrativer Boykott bezeichnen lässt, 37 Zitiert nach ebd., S.  735. 38 Gemessen am Ostergottesdienstbesuch verdoppelte sich die Zahl der nicht-praktizie- renden Katholiken 1880. Auch in den Folgejahren blieb der Prozentsatz derjenigen, welche der Kirche fernblieben, hoch. Da die Zahl nie wieder auf das Niveau von vor 1880 kam, trug die bischöfliche Reaktion auf das Schulgesetz zur Säkularisierung bei; vgl. Lory, La résistance, S.  738. 39 Gerade der Klerus half beim Ausbau der freien Schulen finanziell tatkräftig mit, auch nachdem die Unterstützung der Laien  – allen voran des Adels  – abnahm. Siehe auch Vreugde, La guerre scolaire, S.  126–130. 40 Vgl. Lory, La résistance, S.  734. 41 Vgl. Lermyte, Voor de ziel van het kind; Lory, La résistance, S.  743–747; Soete, La  résistance catholique; Christian Vreugde, La guerre scolaire.
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Glaubenskämpfe Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Titel
Glaubenskämpfe
Untertitel
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Herausgeber
Eveline Bouwers
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-10158-8
Abmessungen
15.9 x 23.7 cm
Seiten
362
Schlagwörter
19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
Kategorien
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