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Vor 1918
Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Seite - 75 -
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75Von Gewalt und Märtyrertum durch die Struktur des belgischen Staates, die den Kommunen weitreichende Autonomie zusicherte. Den Lokalbehörden gelang es, die Umsetzung des Schulgesetzes teilweise zu verhindern, indem sie die Gelder für den Gemein- deschulunterricht (Gehalt der Lehrer, Neubausubventionen, Schulprämien) kürzten, die Einrichtung von Schulgebäuden administrativ behinderten und bedürftigen Kindern den finanziellen Zuschlag für den Schulbesuch stri- chen. Die Provinzverwaltungen agierten ähnlich, wenn sie kommunale Ent- scheidungen rückgängig machen wollten. Das Staatsministerium versuchte hier gegenzusteuern. Per königlichem Dekret annullierte es unliebsame Ver- fügungen, traf Gegenmaßnahmen um Benachteiligungen vor Ort aufzuhe- ben und entsandte sporadisch Kommissare für die Umsetzung der Reform. Neben dem Schulgesetz befeuerte die zunehmend zentralistisch-autoritäre Handlungsweise der Regierung den öffentlichen Widerstand, schränkte es doch die Autonomie lokaler und regionaler Behörden ein. Nirgendwo war der Protest weiter verbreitet als in Ost- und Westflandern; in Brügge sorgte die Entlassung des katholischen Gouverneurs und die Ernennung des über- zeugten liberalen, aber diplomatisch ungeschickten Théodore Heyvaert für zusätzliche Ressentiments. Doch es ist nicht der Widerstand katholischer Eliten, der hier von Interesse ist, sondern die Handlungen der Gläubigen im Allgemeinen. Dazu gehören auch solche Katholiken, die damals noch von politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen waren: Frauen, aber auch Männer, die unter dem belgischen Zensuswahlrecht nicht wählen durf- ten. Insofern war der gewaltsame Protest gegen das Gesetz von 1879 auch ein Streben nach politischer Teilhabe. Das Dorf Heule ist mittelalterlichen Ursprungs. Es behielt lange seinen bäuerlichen Charakter, bis im späten 19.  Jahrhundert die Industrialisierung allmählich ankam. Die Nähe zu Kortrijk war dafür bedeutend, stieg doch die Bevölkerungszahl durch die Ansiedlung vieler Textilfabriken und die Aus- grabung eines Kanals, der die Stadt mit dem Schelde-Fluss verband, explo- siv an. In Heule schlug sich die neue wirtschaftliche Dynamik  u.a. in der Errichtung einer Lehrwerkstatt nieder, die vom kommunalen Fürsorgeamt betrieben und in einem Haus in der Peperstraat (die Ecke nannte sich »Kra- keelhoek«) untergebracht wurde. Die Lehrwerkstatt war wenig erfolgreich, weshalb Pfarrer Van Dorpe die Räume gegen eine geringe Miete für eine Sonntagsschule und eine »Jugendkongregation« zugewiesen bekam. Mit dem liberalen Regierungsantritt geriet diese kirchliche Nutzung von Gebäuden in kommunalen Besitz in die Kritik und Ende 1879 forderte Justizminister Jules Bara die Schließung der Sonntagsschule42. Wenig später bestätigte das 42 Für die folgende Geschichte, siehe auch »Heule« in Bisschoppelijk Archief Brugge [im Folgenden BAB] B 365 bis; Arrondissementskommissar von Kortrijk an Kom- munalverwaltung von Heule, 28.  Oktober und 12.  Dezember 1879, in: Stadsarchief
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Glaubenskämpfe Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Titel
Glaubenskämpfe
Untertitel
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Herausgeber
Eveline Bouwers
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-10158-8
Abmessungen
15.9 x 23.7 cm
Seiten
362
Schlagwörter
19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
Kategorien
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