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126 Péter Techet
Weil man Kaplan Požar von Anfang an hinter den Übertrittsaktionen
vermutete47, wurde er Ende des Jahres 1902 seines Amtes enthoben48. Dabei
wurde ihm unterstellt, von sehr persönlichen Interessen geleitet zu sein:
Als der Konflikt im Sommer 1900 öffentlich wurde, berichtete die örtliche
Bezirkshauptmannschaft darüber, dass Don Požar mit einer Frau zusam-
menleben und von ihr sogar schon zwei Kinder haben würde. Mit einem
Übertritt in die griechisch-katholische Kirche hätte er demnach diese Lage
legalisieren können, da griechisch-katholische Priester verheiratet sein durf-
ten49. Diese Gerüchte erreichten – dank der Briefe eines italienischsprachi-
gen Priesters aus Triest50 – auch den Heiligen Stuhl, wo der Kirchenstreit
vor allem als Disziplinarfrage eines problematischen Priesters angesehen
wurde51. Da der Vorwurf, Don Požar lebe in einer wilden Ehe, später jedoch
nicht mehr in den Quellen auftaucht und er selbst keine Kaplanstelle in der
griechisch-katholischen Kirche anstrebte, lassen sich die Gerüchte um sein
Privatleben bezweifeln, zumindest nicht verifizieren.
Mit der priesterlichen Aufgabe im Dorf wurde Jožef Krančič beauftragt,
der bis dahin Kaplan in Vatovlje war. Don Požar hätte schon vor dem Jah-
resende 1902 dem neuen Kaplan die Kirche und die Kaplanwohnung in
Ricmanje übergeben sollen, doch kooperierte er weder mit der Pfarrei von
Dolina noch mit dem neuen Kaplan52. Als die Bewohner Widerstand gegen
die Absetzung von Don Požar leisteten, musste das Dorf im Januar 1903 sogar
von bewaffneten Gendarmen besetzt werden53. Eine Karikatur in Škrat, der
slowenischsprachigen Satirezeitschrift aus Triest, machte sich diesbezüglich
über den Namen des Bischofs lustig: In einen Stein von Ricmanje versuchte
jemand einen neuen Nagel (nämlich Dr. Nagl) erfolglos einzuschlagen54.
47 Bereits beim ersten Übertrittsschreiben der Dorfbewohner meinte die örtliche
Bezirkshauptmannschaft, dass Don Požar hinter der Aktion stünde, Bericht der
Bezirkshauptmannschaft von Koper / Capodistria an die Statthalterei von Triest
(23. August 1900), in: AST, C.d. Capodistria, Culto, b. 170, fol. 493f.
48 Absetzungsurkunde (7. Dezember 1902), in: ADT, GO, 1902 / 4275.
49 Bericht der Bezirkshauptmannschaft von Koper / Capodistria an die Statthalterei von
Triest (23. August 1900), in: AST, C.d. Capodistria, Culto, b. 170, fol. 493f.
50 Brief von Don Ugo Mioni an Nuntius Emidio Taliani (27. Juni 1900), in: Archivio
Segreto Vaticano (Vatikanisches Geheimarchiv, weiter: ASV), Archivio della Nun-
ziatura di Vienna (Archiv von Nuntiatur in Wien, weiter: ANV), b. 692, fol. 273f.;
die nicht überprüften Informationen übermittelte Nuntius Taliani an Staatssekretär
Mariano Kardinal Rampolla del Tindaro, siehe Brief von Nuntius Taliani an Kardi-
nal Rampolla (1. Dezember 1900), in: ASV, ANV, b. 692, fol. 282.
51 Zur vatikanischen Sicht, siehe auch Gottsmann, Rom und die nationalen Katholi-
zismen, S. 158–163.
52 Protokoll über den ersten, misslungenen Versuch, die Kirche und die Wohnung in
Ricmanje zu übernehmen (29. Dezember 1902), in: ADT, GO, 1902 / 4275.
53 Edinost, 20. Januar 1903; Slovenski Narod, 23. Januar 1903.
54 Škrat, 27. Juni 1903.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918