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235Der
Bahnfrevel von Trillick
des Untersuchungsverfahrens gewettert hatte, war Holland hocherfreut, als
Mitte November ein Protokoll desselben heimlich gedruckt wurde, aus dem
hervorgehe – so wiederum Holland –, dass der Großteil der angeblichen
Beweise keinem Kreuzverhör standgehalten hätte50.
Letztgenannte Ansicht setzte sich auch unter Regierungsbeamten immer
mehr durch. Gegen Ende November 1854 war ein Friedensrichter in Omagh
so ungehalten darüber geworden, dass ein an der Ermittlung beteiligter örtli-
cher Polizist keine weiteren Beweise ausfindig machen konnte, dass er ihn auf
seine Wache zurückbestellte. Auch der Generalstaatsanwalt kam nach einer
Prüfung des Falles zu dem Schluss, dass, obschon er mindestens vier oder
fünf der Männer für schuldig hielt, es an Beweisen fehle, die das Risiko eines
Prozesses lohnten51. Dennoch gelang es der Staatsanwaltschaft im März 1855
vor dem Assisengericht von Omagh, die Verhandlung zu vertagen, womit die
Männer weitere vier Monate im Gefängnis bleiben mussten. Als es dann im
Juli endlich zur Hauptverhandlung kam, deutete scheinbar alles auf einen
dramatischen Showdown vor Gericht hin, und zwar in Anwesenheit des aus
Dublin angereisten und von der neuen Whig-Regierung benannten Gene-
ralstaatsanwalts William Keogh, des ersten Katholiken auf dem Posten. Zei-
tungberichte schilderten erhebliche Spannungen vor Ort. Die Polizei wurde
in Stellung gebracht, um die erwarteten Menschenmengen im Zaum zu hal-
ten. Damit war alles angerichtet, doch das Hauptstück blieb aus. Der Vorsit-
zende der Geschworenen verkündete, dass das nur aus Protestanten beste-
hende Schwurgericht keinen der beiden Morde zur Anklage bringen könne,
woraufhin der Generalstaatsanwalt erklärte, dass er in Ermangelung einer
Anklage keine andere Wahl habe, als die sieben Männer freizulassen. Also
verließen die Bahnarbeiter unter dem Jubel der örtlichen Bevölkerung das
Gericht und verschwanden wenig später aus der Region und aus den Annalen
der Geschichte.
Die ultraprotestantische Presse, die zuvor so ausführlich über den Bahn-
frevel von Trillick berichtet hatte, hielt sich nun zurück. Die meisten Blätter
druckten einen knappen Gerichtsbericht, doch brachten nur wenige Leitar-
tikel zum Thema. Die Tyrone Constitution versuchte sich den Vorgang so
zu erklären: Das Schwurgericht habe wohl befinden müssen, dass den zahl-
reichen Indizien zum Trotz neue Beweise und / oder neue Zeugen gefehlt
hätten. Einige prominente Oranier wollten die Sache damit nicht auf sich
beruhen lassen. In seiner neuen Zeitung, dem Downshire Protestant, behaup-
tete William Johnston, es sei wohl katholischer List zu verdanken, dass die
50 The Ulsterman, 18. November 1854.
51 So R.D. Coulson und Abraham Brewster in ihren Kommentaren zum Bericht von
Carolan, Report on Trillick Railway Outrage, 30. November und 2. Dezember 1854
(NAI, CSORP, 1854 – 21197, 21114).
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918