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242 Richard Hölzl
nung; ebenso wenig, dass die Zerstörung Pugus unmittelbar mit der Blo-
ckade des Küstenhandels durch deutsche, englische und italienische Schiffe
zusammenhing3.
Im Januar 1889 debattierte der Reichstag über den Einmarsch deutscher
Kolonialtruppen in Ostafrika – offiziell mit dem Ziel den Sklavenhandel zu
unterbinden. Nachdem der Reichstag die Finanzierung gewährt hatte, folgte
der erste deutsche Kolonialkrieg in Ostafrika, der zeitgenössisch in Deutsch-
land als »Araberaufstand« firmierte, in Ostafrika aber als »Krieg der Deut-
schen« bezeichnet wurde4. Der Krieg war zugleich der Übergang zur direk-
ten deutschen Kolonialherrschaft in Ostafrika. Der Kaiserliche Kommissar
für Ostafrika, Leutnant Hermann Wissmann, schilderte den Abgeordneten
die Lage vor Ort als »Kampf ums Dasein«, ein Rassenkrieg zwischen Europä-
ern und Arabern5. Afrikaner stellte er den Abgeordneten als willensschwa-
che Gefolgsleute derjenigen dar, die sich als die Stärkeren durchsetzten.
Damit wurden offene Widersprüche in der politischen Rahmung des Kriegs
rhetorisch aufgelöst. Denn die meisten Kriegsgegner waren, wie Wissmann
zugestand, nicht Sklavenhändler, sondern vermeintliche oder tatsächliche
Sklaven ost- bzw. zentralafrikanischer Herkunft. Faktisch zog man nicht
in einen Krieg gegen den Sklavenhandel, sondern gegen die Sklaven selbst.
Er mahnte zudem, den Konflikt nicht als einen Religionskrieg zu sehen.
Anders Reichskanzler Otto von Bismarck: »Was dort gehasst wird, ist der
Christ, der Beschützer der Sklaven, das ist der Störer des illiciten Handels«6.
Bismarcks Deutung, wenn auch nicht unumstritten, wurde zur Grundlage
für die Interpretation dieses kolonialen Eroberungskriegs. Wie kam es zu
dieser Interpretation der Gewaltereignisse an der ostafrikanischen Küste
1888 / 1889 entgegen anderslautender, mindestens mehrdeutiger Berichte aus
dem Kriegsgebiet und gegenteiliger Meinungen erfahrener Afrikareisender
wie Wissmann?
Der Reichstag verabschiedete am 30. Januar 1889 das »Gesetz zur Be-
kämpfung des Sklavenhandels und zum Schutz der deutschen Interessen in
Ostafrika«. Zwar waren die Stimmen der Zentrumspartei dabei nicht ent-
3 Siehe Sebastian Napachihi, The Relationship between the German Missionaries of
the Congregation of St. Benedict from St. Ottilien and the German Colonial Autho-
rities in Tanzania, 1887–1907, Ndanda u.a. 1998, S. 136–151.
4 So etwa im Titel des Swahili-Epos »Utenzi wa Vita vya Wadachi Kutamaliki Mrima«
(Erzählung vom Krieg der Deutschen an der Mrima Küste) von Hemed Al-Buhry;
siehe Hemedi bin Abdallah bin Said bin Abdallah bin Masudi el Buhry, Utenzi
wa Vita Kutamaliki Mrima, übersetzt von T. Allen, Nairobi u.a. 1968.
5 Hermann Wissmann, Redebeitrag, in: Verhandlung des Deutschen Reichstags
am 26. Januar 1889, URL: <https://www.reichstagsprotokolle.de/Band3_k7_bsb000
18653.html> (14.12.18), S. 606.
6 Otto von Bismarck, Redebeitrag, in: Verhandlung des Deutschen Reichstags
am 26. Januar 1889, URL: <https://www.reichstagsprotokolle.de/Band3_k7_bsb000
18653.html> (14.12.18), S. 621.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918