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258 Richard Hölzl
Aufopferung für den Glauben zeigt62. Zur ecclesia militans gesellte sich hier
eine Form der Frömmigkeit, die auf Leiden, Opfer und Christusnachfolge
basierte und zutiefst in der katholischen Gnadenlehre verwurzelt war – auf
Opfer würde neues Leben folgen, der Erfolg umso sicherer eintreten63.
Um zu verstehen, wie Amrheins Narrativierung und Rahmung des Kon-
flikts zustande kam, muss hier die Beziehung von katholischer Mission
und kolonialer Eroberung am Ende des 19. Jahrhunderts erläutert werden.
Insbesondere der französische Kardinal Charles Lavigerie leitete mit seiner
Antisklaverei-Kampagne des Jahres 1888 eine ideologische Wende in der
Stellung der katholischen Kirche zum Kolonialismus des späten 19.
Jahrhun-
derts ein64. Die Kampagne stand im Zusammenhang mit dem »Scramble for
Africa«, bei dem die europäischen Mächte, allen voran England, Frankreich,
Deutschland, Italien und Belgien, koloniale Territorien in Afrika eroberten
und im Zuge diplomatischer Konferenzen (Brüssel 1878, Berlin 1884, Brüssel
1889 / 90) absicherten65. Besonders auf der Berliner Konferenz 1884 etablier-
ten die Großmächte das Junktim von kolonialem Herrschaftsanspruch und
Zivilisierungsmission, zu diesem Zeitpunkt eng verknüpft mit dem Antiskla-
verei-Kampf: Legitime Kolonialmacht war, wer seinen Herrschaftsanspruch
machtpolitisch absichern konnte, zugleich die »Hebung der sittlichen und
materiellen Wohlfahrt der eingeborenen Völkerschaften« fördern und »an
der Unterdrückung der Sklaverei und insbesondere des Negerhandels« mit-
wirken wollte66. Den Missionen wurde »Kultusfreiheit« in den afrikanischen
Gebieten zugesichert.
62 Bruder Michael Hofer beschrieb rückblickend »helle Begeisterung für das Missions-
leben«; Michael Hofer / Frumentius Renner, Im Dienst und Schutz des Höchsten.
Bruder Michael Hofer erzählt sein Leben, St. Ottilien 1978, S. 86. Ähnliches galt für
die Schwestern; Walter, Von der Treue Gottes I, S. 146f.
63 Als historischer Referenzpunkt diente Amrhein die Zerstörung des Kloster Monte
Cassino durch die Langobarden im Jahr 577; Amrhein, Brandopfer, Sp. 433.
64 Renault betont den Einfluss von Chateaubriand’ s Génie du Christianisme auf Lavi-
gerie, das den emphatischen Zivilisationsbegriff der Aufklärung christlich-religiös
umformulierte; vgl. François Renault, Cardinal Lavigerie. Churchman, Prophet,
and Missionary, London 1994, S. 90f.
65 Zeitgleich fand auf dem katholischen Missionssektor ebenfalls ein solcher scramble
statt: Lebten Anfang des 19. Jahrhunderts nur einige 1000 Katholiken in Afrika und
eine Handvoll Priester, so gab es 1922 zwei Diözesen, 55 Vikariate, 28 Präfekturen
und neun einfache Missionen; vgl. Anton Freitag, Der gegenwärtige Machtbereich
und die innere Einrichtung der Sacra Congregatio Propaganda Fide, in: Zeitschrift
für Missionswissenschaft und Religionswissenschaft 12 (1922), S. 57.
66 Präambel und Kapitel 6 der Generalakte der Berliner Konferenz, in: Frank Gatter
(Hg.), Protokolle und Generalakte der Berliner Afrika-Konferenz 1884–1885, Bre-
men 1984, S.
593, 603f. Zu den Debatten um die Erfassung christlicher Konfessionen
und muslimischer Missionen; ebd., S. 190f.
Glaubenskämpfe
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Titel
- Glaubenskämpfe
- Untertitel
- Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
- Herausgeber
- Eveline Bouwers
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-10158-8
- Abmessungen
- 15.9 x 23.7 cm
- Seiten
- 362
- Schlagwörter
- 19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918