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Vor 1918
Glaubenskämpfe - Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Seite - 310 -
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310 Mary Vincent Dämonologien« am Werke sieht, welche die »Vernunft« verdrängten69. Die Religion, so der Tenor dieser Lesarten, heizt Konflikte an und trägt zur Eska- lation urtümlicher Rachemechanismen bei, die Mayer mythisch als »Furien« bezeichnet. Solche Analysen erkennen die Bedeutung religiöser Leidenschaf- ten und versuchen, sie zu berücksichtigen, doch sind sie nicht in der Lage, einen beliebigen »religiösen«  – oder, genauer, politisch-religiösen  – Konflikt von einem anderen zu unterscheiden. Die Beziehung zwischen der Religion und dem Mythischen ist komplex, umfasst sie doch nicht nur Vorstellungen der Transzendenz, sondern auch, zumal im Christentum, eine präzise Eschatologie. Mochten die rationalis- tischen Zeitgenossen auch jegliche mythische Macht leugnen  – und so den Schlüssel zur Macht der Religion preisgeben  – machten die Apologeten der Religion umso mehr daraus. Auf einer Ebene lässt sich dies an der Ansprache an die Sinne, durch die sich die Religiosität des 19.  Jahrhunderts auszeich- nete, erkennen  – etwa in der prachtvollen Raumgestaltung der Kirchen, dem Einsatz von Musik, Licht und Düften oder der Inszenierung von Wallfahrts- orten wie Paray. Die Religion sprach die Phantasie jedoch auch auf einer tie- feren Ebene an, insofern nämlich sie sich mit Ursprungsmythen und dem Sündenfall, der Natur des Menschen und dem Opfer beschäftigte. Hierin lagen besonders mächtige Ansporne zum »heiligen Krieg«, denn der Griff zu den Waffen zum Schutz der Religion forderte Opfergewalt: Kein Kreuzzug, der die Toten nicht als Märtyrer rühmte. Weder die Anziehung noch die Langlebigkeit der Weltsicht de Maistres lassen sich ohne Berücksichtigung der augustinischen Theologie verstehen. Die Ursünde bot eine immanente Erklärung für den heillos-chaotischen Zustand der Welt, während die Metapher der »zwei Städte« sich mühelos auf gegenwärtige Antagonismen übertragen ließ, ob nun zwischen politi- schen Lagern oder bewaffneten Parteien. Die Verbreitung dieser Weltsicht folgt keiner linearen Chronologie. Während die von de Maistre und Donoso Cortés theoretisch gefasste Notwendigkeit von Ordnung und straffem Regi- ment zunächst unter jenen, die sich vor sozialen Umbrüchen fürchteten, Zustimmung fand, hatten solche Gedanken in Zeiten der Unordnung und des Konflikts doch breitere Resonanz. Es war dies auch eine Zeit spektaku- lärer prophetischer Ereignisse  – am berühmtesten sind die Marienerschei- nungen  – durch die sowohl Immanenz als auch die Macht Gottes geltend gemacht werden konnten70. Gott verfolge seine Zwecke jenseits historischer 69 Vgl. Mayer, Furies, S.  206f., 323–370, Zitat auf S.  324; Simon Schama, Citizens. A  Chronicle of the French Revolution, London 1989, S.  693, 697. 70 Siehe auch David Blackbourn, The Marpingen Visions: Rationalism, Religion and the Rise of Modern Germany, London 1993; Harris, Lourdes.
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Glaubenskämpfe Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Titel
Glaubenskämpfe
Untertitel
Katholiken und Gewalt im 19. Jahrhundert
Herausgeber
Eveline Bouwers
Verlag
Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-666-10158-8
Abmessungen
15.9 x 23.7 cm
Seiten
362
Schlagwörter
19. Jahrhundert, katholische Kirche, Gewalt, Legitimation, Glaube, Katholizismus, historische Entwicklung, Säkularisierung, Pluralismus, historische Analyse, Geschichtsschreibung, strukturelle Gewalt, Diskurs
Kategorien
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