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38 II. Vom Trieb zur Lust
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
Arbeit oder wegen anderer Verbrechen auf anhaltende Zeit, das bedeu-
tete über acht Jahre, verurteilt worden waren ( § 188 ).126 Stooss stellte
diesbezüglich fest, dass zwar auch die » politischen « Strafen des Jose-
phinischen Strafgesetzes keineswegs von Grausamkeiten frei gewesen
waren, jedoch
» die Männer der Josephinischen Zeit insbesondere die Natur
der Religionsdelikte und der Verirrungen des Geschlechtstrie-
bes richtiger gewürdigt haben als ihre Vorgänger und Nachfol-
ger. Denn nicht die sittliche sondern die sociale Bedeutung
einer Handlung ist für ihre Criminalisierung entscheidend und
maßgebend. « 127
An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, in jener historischen Epo-
che, in der die gesellschaftliche Thematisierung der Sexualität einen
ungeheuren Aufschwung erlebte und » der Ruf nach dem Staat beson-
ders laut zu hören war « 128, kristallisierte sich die » Unzucht gegen die
Natur « erneut als eigener Straftatbestand heraus. Als § 113 I fand sie –
nunmehr wieder unter die Verbrechen eingereiht – Eingang in das Straf-
gesetz 1803 129.
B. Das Strafgesetz 1803
1. Entstehungsgeschichte
Das Josephinische Strafgesetz erwies sich sowohl im Hinblick auf sein
Strafensystem als auch mit Rücksicht auf die Lückenhaftigkeit der
Strafbestimmungen rasch als reformbedürftig.130 Bereits Leopold II.
erteilte den Auftrag zu einem neuen Strafgesetz, insbesondere sollten
die durch die Josephinische Gesetzgebung auf drei verschiedene Geset-
zeswerke, nämlich das Strafgesetz vom 13. Jänner 1787 und die Strafpro-
126 Vgl dazu auch Schäffer-Ziegler Sabine in Floßmann Ursula ( hg ), Sexualstrafrecht 140 f
mit weiteren Nachweisen.
127 Stooss Carl, Gedanken 11 ( Hervorhebung im Original ). Worin genau er den sittli-
chen Unwert widernatürlicher Unzucht erblickte, erwähnt Stooss in seiner kurzen
Schrift nicht.
128 Kerchner Brigitte in Kerchner Brigitte / Wilde Gabriele ( hg ), Staat 159.
129 Strafgesetz über Verbrechen und schwere Polizei-Übertretungen, in Kraft getreten
mit 1. 1. 1804, JGS 626.
130 Vgl Hoegel Hugo, Geschichte des Österreichischen Strafrechtes in Verbindung mit
einer Erläuterung seiner grundsätzlichen Bestimmungen ( 1904 ) 85.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik