Seite - 39 - in Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Bild der Seite - 39 -
Text der Seite - 39 -
39
Das Strafgesetz 1803
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
cessordnungen für Criminal- und politische Verbrechen vom 17. Juni
1788 131 und vom 5. März 1787 132, verteilten strafrechtlichen Bestimmun-
gen in einem einzigen Gesetzbuch zusammengefasst werden. Zu einer
Ausführung dieses Vorhabens kam es jedoch nicht.133 Am 12. Januar 1793
legte Matthias von Haan, der Vizepräsident des niederösterreichischen
Appellationsgerichts, der unter dem Vorsitz Karl von Martinis eigens ge-
bildeten Kommission einen ersten Gesetzesentwurf vor. Der 1794 nach
den Beratungen der Kommission und Umarbeitung durch von Haan
fertig gestellte Entwurf für das Strafgesetz über » Criminalverbrechen «
wurde von Kaiser Franz II. der obersten Justizstelle und der Länder-
kommission vorgelegt und schließlich mit Patent vom 1. Juni 1796 für
Westgalizien als Gesetz erlassen 134 und mit 1. Jänner 1797 in Kraft ge-
setzt.135
Das Westgalizische Strafgesetzbuch gliederte sich in zwei Teile, der
erste handelte » Von Verbrechen und Strafen «, der zweite » Von dem
rechtlichen Verfahren über Verbrechen «. Die gleichgeschlechtliche Un-
zucht fand sich im Zwölften Hauptstück unter der Überschrift » Von
der Nothzucht und anderer Unzucht « im § 98. Als Unzucht galt neben
dem Verkehr mit Tieren und Personen des gleichen Geschlechts auch
Verkehr mit Verwandten in auf- oder absteigender Linie, zwischen voll-
oder halbbürtigen Geschwistern, mit Ehegenossen der Eltern, der Kin-
der oder der Geschwister, Ehebruch und gewerbsmäßige Unzucht. Das
Westgalizische Strafgesetzbuch übernahm hinsichtlich der widerna-
türlichen Unzucht die Textierung des Josephinischen Strafgesetzes mit
Ausnahme des Begriffes » fleischlich «. Anders als im Josephinischen
Strafgesetzbuch galt die Unzucht mit Tieren oder Personen des glei-
chen Geschlechts als Verbrechen im eigentlichen Sinn und wurde mit
hartem Kerker 136 zwischen drei Monaten und einem Jahr bestraft. Die
anderen Unzuchtsformen stellten dagegen bloße » Civil-Verbrechen «
131 Patent vom 17. Junius 1788, JGS 848.
132 Hofdecret vom 5. März 1787, an sämmtliche Appellations-Gerichte, in Folge höchs-
ter Resolution über Vortrag der Compilations-Hofcommission vom 31. Januar 1787,
JGS 640.
133 Vgl Domin-Petrushevecz Alphons von, Rechtsgeschichte 298.
134 Patent vom 17. Juni 1796, JGS 301.
135 Vgl Hoegel Hugo, Geschichte 85 f.
136 Harter Kerker sah die Anhaltung an den Füßen mit minder schweren Eisen vor.
Die Gefangenen erhielten täglich eine warme Speise, allerdings kein Fleisch. Das
Lager bestand aus bloßen Brettern, Außenkontakte waren nicht gestattet ( § 26
Westgalizisches Strafgesetzbuch ).
zurück zum
Buch Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin"
Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik