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Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
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117 Zur gerichtsgutachterlichen Praxis Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶ für eine milde Bestrafung der Begutachteten ein.475 Inwiefern psychia- trische Gutachten von den Beschuldigten strategisch genutzt werden konnten, um Strafmilderung zu erlangen, lässt sich nicht mit Sicherheit ausmachen. Nur in 29 von insgesamt 463 Verdachtsfällen im gesamten Untersuchungszeitraum wurden Beschuldigte überhaupt einer psych- iatrischen Begutachtung unterzogen.476 Insgesamt wurde in dreizehn Fällen, in denen ein psychiatrisches Gutachten erstellt wurde, sowie in 67 Fällen, in denen das nicht der Fall war, das Vorliegen einer » krank- haften Veranlagung « als Milderungsgrund angenommen.477 Deutlichen Einfluss zeigte die Annahme einer » krankhaften Veranlagung « auf das Strafmaß von » Rückfalltätern und -täterinnen «: Von jenen Beschuldig- ten, bei denen eine » krankhafte Veranlagung « angenommen wurde, waren 44 vorbestraft – 28 davon einschlägig. Dies entspricht einem Prozentsatz von 35,9 Prozent einschlägig vorbestrafter » krankhaft Ver- anlagter «. Dagegen waren unter jenen Beschuldigten, bei denen keine » krankhafte Veranlagung « festgestellt wurde, nur 7,23 Prozent wegen gleichgeschlechtlicher Unzucht vorbestraft. Bei einem Viertel der ver- 475 Vgl zum Beispiel OÖLA, BG / LG Linz Sch 315, Vr VI E 230 / 26, Befund und Gutachten vom 25. März 1926; OÖLA, BG / LG Linz Sch 335, 6 Vr 635 / 28, Befund und Gutachten ( undatiert ). Strenger urteilten diesbezüglich die Schweizer Gutachter, wie Schlatter für den Kanton Schaffhausen in der Zeit von 1867 bis 1970 nachweist: » Die Psych- iater betonten immer wieder, auch heterosexuelle Männer könnten nicht einfach tun und lassen, was ihnen gefalle, weshalb an Homosexuelle der gleiche Anspruch gestellt werden müsse. «, Schlatter Christoph, Neigung 151. Diese Einschätzung teilte der Gerichtsmediziner und spätere Vorstand des Gerichtsmedizinischen In- stituts in Wien Fritz Reuter: » Gegenüber der Behauptung der Homosexuellen, daß der Trieb so stark sei, daß sie die nötigen Hemmungen nicht aufbringen könnten, ist zu betonen, daß auch bei jenen Sexualdelikten, bei denen nur die Stärke eines normalen Sexualtriebes [ … ] in Frage kommt, vom Täter vorausgesetzt wird, daß er seinen Trieb innerhalb des gesetzlichen Rahmens beherrschen kann. Es ist nicht einzusehen, warum man gegenüber den Homosexuellen einen anderen Stand- punkt einnehmen sollte. «, Reuter Fritz, Lehrbuch 178. 476 26 dieser psychiatrischen Gutachten sind erhalten geblieben. In drei Fällen lässt sich nur mehr aus dem Urteil erschließen, dass eine psychiatrische Begutach- tung der Beschuldigten stattgefunden hat, vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 286, Vr VI 57 / 21, Urteil vom 11. November 1921; OÖLA, BG / LG Linz Sch 301, Vr II E 1042 / 23, Urteil vom 17. Dezember 1923; OÖLA, BG / LG Linz Sch 405, 6 Vr 606 / 35, Urteil vom 30. Mai 1933. Auf eine auffallend niedrige Zahl gerichtsärztlicher Gutachten in Ver- fahren wegen gleichgeschlechtlicher Unzucht weist auch Mildenberger hin, vgl Mil- denberger Florian, Richtung 274. 477 So nahm der Schöffensenat etwa 1936 bei zehn von elf Angeklagten eines einzigen Verfahrens » krankhafte Veranlagung « als strafmildernd an, ohne dass ein einziges gerichtspsychiatrisches Gutachten angefordert wurde, vgl OÖLA, BG / LG Linz Sch 462, 6 Vr 1954 / 36, Urteil vom 23. April 1936.
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Verkehrte Leidenschaft Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
Titel
Verkehrte Leidenschaft
Untertitel
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Autor
Elisabeth Greif
Verlag
Jan Sramek Verlag
Ort
Wien
Datum
2019
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-7097-0205-5
Abmessungen
15.0 x 23.0 cm
Seiten
478
Kategorie
Recht und Politik
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