Seite - 167 - in Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Bild der Seite - 167 -
Text der Seite - 167 -
167
Die österreichische Reformdiskussion in der Zwischenkriegszeit
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
Um die angestrebte Vereinheitlichung mit dem deutschen Strafge-
setz nicht zu gefährden und bedingt durch die angespannte Finanz-
lage der Republik Österreich, konzentrierte sich eine österreichische
Regierungsvorlage aus dem Jahr 1921 689 lediglich auf die kriminalpo-
litisch und durch die neue Verfassungsordnung notwendigen straf-
rechtlichen Teilreformen. Zugleich sollten einige Nebengesetze in das
Strafgesetz eingearbeitet sowie bestehende Widersprüche und Un-
klarheiten beseitigt werden. Außerdem sollte die Unterscheidung zwi-
schen » einfachem « und » schwerem « Kerker beseitigt werden. Abgese-
hen davon enthielt der Entwurf mit Blick auf § 129 I b StG 1852 keine
Änderungen.
Der Grazer Privatdozent Eduard von Liszt erstattete kritische Äuße-
rungen über die österreichische Regierungsvorlage. Entgegen der selbst
gewählten Bezeichnung handle es sich nicht um einen » Entwurf «, son-
dern nur um eine Überarbeitung des geltenden Rechts. Während die
neueren Gesetzgebungen dem Gebiet der Sittlichkeitsdelikte » zumeist
ein ebenso auffallendes wie einseitiges Interesse « 690 widmeten, erreiche
die Teilreform nicht einmal das Ziel, die dringendsten kriminalpoliti-
schen Erfordernisse umzusetzen. Bezüglich des § 129 I b StG 1852, den
Liszt mit » homosexuelle Betätigung « beschrieb, beanstandete er, dass
die Bestimmung, » trotz aller eingehenden Erörterungen über den § 175
des Deutschen Reichs-StGB « 691 unverändert bliebe. Insbesondere fehle
eine Abgrenzung des Tatbestandes.
3. Beginn der Zusammenarbeit – Der österreichische
Gegenentwurf und der Radbruchsche Entwurf 1922
Umgesetzt wurde die Teilreform des österreichischen Strafgesetzbu-
ches nicht, allein die Wertgrenzen und Geldstrafen wurden an die ge-
änderten Verhältnisse angepasst.692 Dagegen trieb man die geplante
689 421 BlgStenProt NR 3. Session 1. GP 12.
690 Liszt Eduard von, Die » sexuellen « Delikte im österreichischen Strafgesetzentwurf
vom Jahre 1921, Zeitschrift für Sexualwissenschaft 1922 / 1923, 8. Siehe auch Liszt
Eduard von, Österreichische Strafgesetzreform, ZStW 1922, 537 ( insb 566 ).
691 Liszt Eduard von, Zeitschrift für Sexualwissenschaft 1922 / 1923, 10.
692 BG vom 20. Dezember 1921 über die Erhöhung der Wertgrenzen und Geldstra-
fen in den Strafgesetzen ( Strafgesetznovelle vom Jahre 1921 ), BGBl 1921 / 5; BG vom
18. Juli 1922 über die Erhöhung der Wertgrenzen und Geldstrafen in den Strafge-
setzen ( Strafgesetznovelle vom Jahre 1922 ), BGBl 1922 / 533; BG vom 6. Dezember
1922 über die Erhöhung der Wertgrenzen und Geldstrafen in den Strafgesetzen ( II.
zurück zum
Buch Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin"
Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik