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Entwicklung des » modernen « Strafverfahrens bis 1918
Elisabeth Greif • Verkehrte Leidenschaft ¶
wurden neben dem Landesgericht Linz die Bezirksgerichte Freistadt,
Rohrbach, Wels, Vöcklabruck, Gmunden, Ried, Schärding, Braunau und
Kirchdorf als Bezirks-Collegialgerichte eingerichtet.820
Die Rechtsprechung der Bezirks-Collegialgerichte erfolgte durch
Senate aus drei Richtern. Gegen Endurteile der Bezirks-Collegialge-
richte konnte gem § 375 StPO 1850 nur das Rechtsmittel der Berufung
erhoben werden. Sie war an jenes Landesgericht zu richten, in dessen
Sprengel sich das Bezirks-Collegialgericht befand, dessen Urteil ange-
fochten wurde. Hatte das Landesgericht selbst als Bezirks-Collegialge-
richt das angefochtene Urteil gefällt, so fand die Berufung an einen
Senat von fünf Mitgliedern desselben Landesgerichtes statt. Bei sonsti-
ger Nichtigkeit durfte diesem Senat kein Richter angehören, der an der
Verhandlung und Entscheidung in erster Instanz teilgenommen hat-
te.821 Gegen zweitinstanzliche Urteile des Landesgerichtes konnte die
Nichtigkeitsbeschwerde an den Kassationshof 822 nur erhoben werden,
wenn im zweitinstanzlichen Verfahren wesentliche Formvorschriften
verletzt oder durch das Urteil des Landesgerichtes ein Gesetz verletzt
oder unrichtig angewendet worden war ( § 388 StPO 1850 ). Die Um-
setzung des Anklagegrundsatzes durch die Strafprozeßordnung 1850
machte auch die Einrichtung von Staatsanwaltschaften notwendig. Für
das Oberlandesgericht Linz 823 wurde ein » General-Procurator «, für das
820 Kaiserliche Verordnung vom 26. Juni 1849, womit die Organisirung der Gerichte in
den Kronländern Oesterreich ob der Enns und Salzburg genehmiget wird, RGBl
1849 / 289, 1. Beilage zu Nr 289, Pkt 5.
821 Vgl Würth Joseph von, Strafprocessordnung 651.
822 Die Strafprozessordnung 1850 übernahm für die höchste Instanz das französische
System der Kassation und bezeichnete daher den in der Gerichtsverfassung 1849
als » Obersten Gerichts- und Kassationshof « benannten obersten Gerichtshof aus-
schließlich als Kassationshof. Mit Inkrafttreten der Strafprozessordnung 1850 trug
er die amtliche Bezeichnung » Oberster Gerichts- und Kassationshof «, vgl Leonhard
Otto in FS Hundertjahrfeier 166 f. 1850 erfolgte die nähere Organisation des Obers-
ten Gerichts- und Kassationshofes durch Kaiserliches Patent vom 7. August 1850,
wodurch die Organisation des obersten Gerichts- und Cassationshofes in Wien
festgesetzt wird, RGBl 1850 / 325.
823 Die Verordnung des Ministers der Justiz vom 6. April 1850, mit der Bestimmung
des Zeitpunktes, von welchem an die für die Kronländer Oesterreich unter der
Enns, Oesterreich ob der Enns und Salzburg, Böhmen, Mähren und Schlesien,
Steiermark, Kärnthen und Krain, Görz, Istrien und Triest, Tirol und Vorarlberg a.h.
genehmigten Oberlandesgerichte und der oberlandesgerichtliche Senat zu Trient
ihre Wirksamkeit zu beginnen und sämmtliche l.f. Gerichte in diesen Kronländern
nach der allerhöchst genehmigten Gerichtsverfassung in Amtsthätigkeit zu treten
haben; RGBl 1850 / 138, legte den Beginn der Amtstätigkeit der Oberlandesgerichte
mit 1. Mai 1850 fest.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik