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216 V. Das Verfahren
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
Beweisbarkeit ein.886 In Jugendsachen 887 durfte kein vereinfachtes Ver-
fahren stattfinden. Im Unterschied zur Strafprozessnovelle 1918 war im
vereinfachten Verfahren keine obligatorische Verteidigung mehr vorge-
sehen, nur unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 41 StPO 1873
hatten Beschuldigte Anspruch auf einen Armenverteidiger.888 Die volle
Berufung wurde beseitigt, auch im vereinfachten Verfahren standen nun
mit der Nichtigkeitsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof und der Be-
rufung gegen den Ausspruch über die Strafe an den Gerichtshof zweiter
Instanz grundsätzlich dieselben Rechtsmittel wie im schöffengerichtli-
chen Verfahren offen.889
3. Die Einführung von Schöffengerichten
Eine weitere durch die hohe Belastung der Gerichte und die Unzufrie-
denheit mit den Geschworenengerichten bedingte Maßnahme sah die
Strafprozeßnovelle vom Jahr 1920 890 vor: Sie ersetzte die viergliedrigen
Erkenntnissenate durch Schöffengerichte, die nach deutschem Vor-
bild gebildet wurden und aus je zwei Berufsrichtern und zwei Laien
bestanden, die gemeinsam über Beweiswürdigung, Schuld und Strafe
befanden.891 Die Zuständigkeit der Geschworenengerichte wurde auf
Pressedelikte 892 und politische Delikte sowie die Schwerstkriminalität
886 § 483 StPO idF 2. Strafprozeßnovelle 1934 lautete: » Der Staatsanwalt soll den Antrag
nur stellen, wenn der Beschuldigte von einer öffentlichen Behörde oder einer der
im § 68 des Strafgesetzes erwähnten Personen auf Grund ihrer eigenen dienstli-
chen Wahrnehmung oder eines vor ihr abgelegten Geständnisses angezeigt oder
mit Gegenständen, die auf seine Teilnahme an der strafbaren Handlung hinwei-
sen, betreten worden ist oder sonst der Beweis seiner Schuld voraussichtlich leicht
erbracht werden kann. «
887 Siehe dazu unten.
888 Vgl Lohsing Ernst, Das vereinfachte Verfahren nach der 2. Strafprozeßnovelle vom
Jahre 1934, JBl 1934, 91 ( 93 ).
889 Vgl Lohsing Ernst, JBl 1934, 91 ( 96 ).
890 Gesetz vom 15. Juni 1920, womit die Strafprozeßordnung vom 23. Mai 1873, R.G.Bl.Nr.
119, das Einführungsgesetz dazu und das Gesetz über die Bildung der Geschwornen-
listen vom 23. Mai 1873, R.G.Bl. Nr. 121, in der Fassung vom 23. Jänner 1919, St.G.Bl.Nr.
37, abgeändert werden ( Strafprozeßnovelle vom Jahre 1920 ), BGBl 1920 / 279.
891 Dazu sowie zu Bestrebungen der Rechtsangleichung auf dem Gebiet des Strafpro-
zessrechtes vgl Brauneder Wilhelm ( hg ), Rechtsbeziehungen 202 f. Dass die Einfüh-
rung der Schöffengerichte zu einer Gerichtsentlastung führen würde, wurde je-
doch durchaus angezweifelt, vgl Scharfmesser Heinrich, Schöffengerichte, JBl 1920,
114 ( 115 ).
892 1929 wurde die Zuständigkeit der Geschworenengerichte bei Pressevergehen besei-
tigt, Bundesgesetz vom 20. Dezember 1929, womit einige Bestimmungen des Straf-
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Buch Verkehrte Leidenschaft - Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin"
Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Titel
- Verkehrte Leidenschaft
- Untertitel
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Autor
- Elisabeth Greif
- Verlag
- Jan Sramek Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Abmessungen
- 15.0 x 23.0 cm
- Seiten
- 478
- Kategorie
- Recht und Politik