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Enppho.
Änf einen Fels, der, schrosf und nnfruchldar,
Die Wolken nur und Wellen Vlachbar nennt,
Von jedcni Pfad des Lebens rauh geschieden;
Nur löschet aus dein Vuchc der Erinnrung
T,c letztcutflohnen Stunden gütig aus;
Laßt mir den Glauben nur an seine Liebe,
Und ich will preisen mein Geschick und frölUich
Nie Einsamkeit, ach, einsam nicht, bewohnen:
Bei jedem Torn, der meine Füße ritzte,
O, wußt' er es! und: o, jetzt denkt er dein!
Was gab' er, dich zn retten! Äch, und Valsani
Ergösse kühlend sich in jede Wunde.
Nhamnes.
Tu hast gerufen, hochcrhabne Frau!
Tappho,
O Phaon! Phaon! Was hab' ich dir getan? —
Ich stand so rnhig in der Dichtung Ane»
Hernieder sah ich ans der Erde Freuden,
Und ihre Leiden reichten nicht zu inir.
Zählt' ich die Flucht der nimmcrstillcn Zeit,
Was meinem Lied ich gab, gab es mir wieder,
Neißt er den goldncn Schleier mir herab,
Zieht mich hernieder in die öde Wüste,
Wo rings kein Fußtritt, rings kein Pfad;
Der in der Leere mir cutgegenstrahlt:
Entzieht er mir die Hand, ach, und entflieht!
Mamncs.
O Herrin! magst dn weilen so im Dunkeln,
Ncim feuchten Hauch der Nacht, der Meeresluft?
Tapftho.
Keimst dn ein schwärzres Laster, als den Undank?
Nliamncs.
Ich nicht,
Tappho.
Ein giftigciZ?
Ellppha.
Ein sluchcnswürd'ger^, ein strafcnswcrtcis?
Nicht wahr? Nicht wnhr? die andern Laster alle,
Hyänen, Löwcii, 3iger, H^ölfe siud's,
Der Undank ist die Schlange, Nicht? Die
Schlange!
So schön, so glatt, so bunt, so gii:ig! ^ üh! — Nhamnes.
Komm mit hinein, drin fühlst du dich wohl
besser,
Mit Sorgfalt ist das Haus dir ausgeschmückt,
Und Phaon wartet deiner in der Halle,
Sappha.
Rhanines.
Ja, Gebieterin.
^ch sah ihn sinnend ans und nieder schreiten;
Bald stand er still, sprach leise vor sich hin,
Sllppho.
Er harret meiner? Lieber, sagt' er cs?
Vas wohl nicht.
Doch sah ich ihn erwartend, lauschend stehn,
Und wessen sollt' er harren?
Sappha.
Wessen? Wessen?
Nicht Sapphos harrt er — doch er harrt um-
sonst!
Nhamnes!
Gebieterin!
Eappho,
Tu weißt, zu Chios
Wohnt, noch vom Vater her, ein (liastflcund mir.
Rhllmnes.
Ich weiß es,
Sllppho.
Löse schnell vom Strand den Nachen,
Der dort sich schaukelt in der nahen Bncht,
Denn diese Nacht noch mußt du fort nach Ehios.
Allein? Nliamncs.
Nein.
Und wer folget mir dahin?
Was sagst dn?
Nhamiics.
Wer nach Chios mit mir — ?
Tapp!,«
>lMN
Vorfichtig sei und leise, hörst du mich? —
Geh in Melittcus Kammer und gebeut ihr,
hiehcr zu kommen; Sappho rufe sie.
Doch still, daß Er dich nicht bemerke.
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band I
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- I
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.7 x 17.1 cm
- Seiten
- 600
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Dramen 14
- Die Ahnfrau (1817) 17
- Sappho (1819) 50
- Das goldene Vließ (1822) 89
- König Ottokars Glück und Ende (1825) 169
- Ein treuer Diener seines Herrn(1830) 222
- Des Meeres und der Liebe Wellen (1840) 262
- Der Traum ein Leben (1840) 300
- Melusina. Romantische Oper (1833) 339
- Weh dem der lügt, Lustspiel (1840) 355
- Die Jüdin von Toledo 393
- Ein Bruderzwist in Habsburg 424
- Libussa 473
- Fragmente 515