Seite - 272 - in Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band I
Bild der Seite - 272 -
Text der Seite - 272 -
Tes Meeres und der Liebe Wellen.
Tie finstern Locken ringeln nin die Stirn;
Tas Auge, Wenn's die Wimper nicht verwehrt,
Sprüht heiß wie «ol,lc, frisch uur angefacht;
Tie Schultern weit, die Arme derb uud tüchtig,
Vcm prallen Muskeln rundlich überragt,
Kein Amor mehr, doch Hymens treues Vild,
Nie Mädchen sehn nach ihm, doch er — Ihr
Götter!
Wo blieb die Seele für fo art'gcn Leib?
Er ist — wie nenn' ich's? — furchtsam, töricht,
blöd,
Ich biu doch auch ein rüstiger Gesell!
lind, statt der Iuderfarbc, die ihn brännt,
Lacht helles Weiß um diese derben >luocheu-
Biu größer, wic's dem Meister wohl ge',,em!
Und doch, gehu wir zusammen nntcrs Volk,
In Mädchcnlreis, beim Fest, bei Spiel, bei Tan',
Mich trifft kein Aug', uud ihn verschlingen sie
Tas'winkt, das nickt, das lacht, das schilt, das
kichert.
Und ihm gilt's, ihm, Sie sind nun mal ver-
narrt
In derlei dumpfe Träumer, blöde Schlucker,
Er aber — Ei, er merkt nun eben nichts.
Und merkt er's endlich, hei, was wird er rot!
Sag, gntcr Frennd, ist das nur Zufall bloß.
Wie? oder weißt du, daß du zehnmal hübscher
Mit solcher Erdbecrfarbe auf deu Wangen?
Nnr heut, im Tempel, Gnte Götter! war's nicht,
Als ob die Erde aller Wesen Fülle
Zurückgcschluugen in deu reiche» Schoß
Und Mädchen draus gebildet, nichts als Mäd-
chen ?
Aus Thrazien, dem reichen hcllespont
Vermengten sich die Scharen; bnntc Blumen,
So Nos' als Nelke, Tulpe, Veilchen, Lilie —
Ein Gänseblümchen auch wol,! ab uud zu —
Im ganzen ein begeisternd sroher Anblick,
Ein wallend Meer, mit hänptern, weißen Schul-
tern
Und ruudeu .Hüfte» a» der Welle» Statt,
ilb's Mädchen waren oder wilde Schwäne?
Er weiß es nicht, er ging nur ebcu hiu,
lind doch war cr's, nach dem sie alle blickten,
Tie Priest'rin selbst; ein herrlich prangend Weib!
Ter Liebe Treu zu schwören ewiglich,
Als ihr sich zu entzieh», so arm als karg;
Ter Äumnt Iwlder Zögling uud der Hoheit,
Tes Adlers Aug', der Taube süs;eo Girren,
Nie Stirn so ernst, der Muud ciu holdes Lächeln,
Fast anzuschauen wie eiu fürstlich >liud,
Und dann! Was Schönheit sei, das frag du
mich!
Was weißt dn von des Nackens stolzem Van,
Ter breit sich anschließt rcichgcwundnen Flechten,
Ten schultern, die, beschämt nach rückwärts
sinkend,
Platz räumen den begabter» reiche» Schwestern,
Nen feinen Knöcheln und dem leichten Fuß U»d all den Schaken so beglückten Leile ^
Was weißt dn? sag' ich, nnd du s.il,st e-> uicht,
Toch sie sah dich, Ich >>ab' eo un'ln bemerll!
Wie wir da knieten, rückwärts ich, du Uorn
Am Standbild Hymens, des gcwalt'gcn c^etiev,
lind sie. nun kam, des Opferrauchs zu siremi:
Ta stuckte sie, dle ,vaud liing m der ^ust;
Nach dir hinschaueud, stand sie zögernd da,
Ein, zwei, drei kurze, ew'ge Äu>->'',^ii^>',
Zuletzt vollbrachte sie ihr heilig Wer!,
Allciu uuch fcheideud spraäi eiu tiefer Vlick,
^m berbeu ^^idersprul!, de? srrsl'geu Tages,
?er sie ans e'mglich verlelUieitt der ^iel>e^
„Es ist doch schad'!" und- ,,?en da möcht' ich
wol,l!"
Gelt, lächelst doch? uud schmeichelt dir, dn
^chlutter?
Verbirgst du deiuGesichl? ^orl ,>,it deu Fiugern!
llud heuchle nicht uud sag uur ja.
Doch, toller!
Tas sind ja Tränen, Wie? Leander! weifst?
Leander
Laß mich nnd anal mich nichl! lind sprich nicht
Von ihrem hal^ uud Wuchs, O, ich biu dreisiic!,
elend!
Leander! elend? — Glücklich! — Nist verliebt.
LeauNcr.
Was sprachst du? Ich bin krank. Es schmerzt
d^c Brust,
Nicht etwa innerlich; von aussen, hier,
.hart an den K,iochcn, Ich bin trank, zum Tod.
Ein Tor bist du, doch ein beglückter Tor,
Ich will erdulden, was die Menschen lewcn!"
Nun, Freund, gib mir die Hand! Nun erst me!n
freund,
Zn spät bekehrt durch allzu süße Wonnen,
Tu Neugeborncr, Glücklicher! -^ Toel, !>all!
Ein garst'gcr Fleck auf unsers Inbels Kleide, —
Komm mit zurück zur Stadt; dort sind die
Tie wir beim Fest gesehn, noch all versammelt,
Tort sieh dich um, verlieb dich, wie du magst;
Nenn, Freund, die Jungfrau, die dich jetzt er-
füllt,
Ist Priestern, uud hat an diesem Tag
Gelobt, dem Manne sich auf ewig zu entziehn;
Und streng ist's, was ihr droht, wenn sie's ver-
gaß,
lind was dem Manne, der's mtt ihr vergessen.
Leander.
Ich wußt'es ja. Komm, Nacht! Und so ist's ans.
Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Band I
- Titel
- Grillparzers sämtliche Werke
- Untertitel
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Band
- I
- Herausgeber
- Rudolf von Gottschall
- Verlag
- Hansa-Verlag
- Ort
- Hamburg
- Datum
- 1906
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.7 x 17.1 cm
- Seiten
- 600
- Schlagwörter
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Kategorien
- Weiteres Belletristik
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Dramen 14
- Die Ahnfrau (1817) 17
- Sappho (1819) 50
- Das goldene Vließ (1822) 89
- König Ottokars Glück und Ende (1825) 169
- Ein treuer Diener seines Herrn(1830) 222
- Des Meeres und der Liebe Wellen (1840) 262
- Der Traum ein Leben (1840) 300
- Melusina. Romantische Oper (1833) 339
- Weh dem der lügt, Lustspiel (1840) 355
- Die Jüdin von Toledo 393
- Ein Bruderzwist in Habsburg 424
- Libussa 473
- Fragmente 515