Seite - 19 - in Guido Adlers Erbe - Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
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© 2017, V&R unipress GmbH, Göttingen
ISBN Print: 9783847107217 – ISBN E-Lib: 9783737007214
Es ist schwer vorstellbar, dass nicht auchAdler zunächst von solchenVor-
stellungen beeinflusst war. Bald folgte jedoch ein deutliches Bekenntnis zur
Wissenschaft, sicherlich auch getragen von der schmerzlichen Einsicht, dass
ihm„selbständigeSchaffenskraft“8zumKomponierenfehlte.Beiseinemzweiten
Bayreuth-BesuchausAnlassderParsifal-UraufführungimJuli1882konterteder
mittlerweilemit einer Arbeit9 beiHanslick promovierte und auch bereits ha-
bilitierte10 junge Musikwissenschaftler dem Bayreuther „Meister“ auf dessen
süffisante Bemerkung: „Adler, ich hab’ gehört, Sie widmen sich derWissen-
schaft;was istWissenschaft?DerArzt sagtmireinmal, ichsoll inderNachtdie
obern Flügel der Fenster offen lassen, ein anderesMal die unteren Flügel, ein
drittesMaldasganzeFenster…“11 schonrecht selbstbewusst:
VerehrtesterMeister gestattenmir inEhrerbietungdieBemerkung,daßdaswohlmit
Wissenschaftnichtszutunhat.DaichnichtdienachmeinenAnsprüchennotwendige
Begabung fürdieproduktiveKunsthabeunddie reproduzierendemichnichtbefrie-
digtundausfüllt,sogreifeichzurWissenschaftderMusik,besondersmitHinblickauf
dieAufdeckungderGeschichte undderZugänglichmachungunvergänglicherWerke
der Vergangenheit. Auch diese können demKünstler nützen, geradesowie Sie Ihre
StoffedenErgebnissender literarhistorischenForschungentnommenhaben.12
Selbstbewusstsein kennzeichnet auch das erstemusikwissenschaftliche Groß-
projekt, das Adler in Angriff nahm: die Gründung derVierteljahrsschrift für
Musikwissenschaft im Jahre 1884, für die dermittlerweile 28-jährigePrivatdo-
zent fürGeschichteundÄsthetikanderUniversitätWienmitChrysanderund
Spitta zwei bereits arrivierte Kollegen ausDeutschland gewinnen konnte.Mit
großerHartnäckigkeit,Durchhaltevermögenundwiederumeinererstaunlichen
PortionSelbstbewusstsein gingAdlerdie zahlreichenProblemean,denen sich
das Herausgebertrio vor allem bei der Auswahl geeigneter Beiträge stellen
musste. Immer wieder kam es vor allemmit Spitta zu Konflikten, bei denen
Adler nicht gerade zimperlich imTonfallwar, bis Spitta schließlich bemerkte:
Überhauptkannichnichtumhin,Ihnenzubemerken,daßdiesesdasletzteMalist,daß
ichaufeinenBriefvonderFormIhresvorliegendenreagire.Ichwerdeinskünftigjedes
in15Einzelbänden.Hg.vonGiorgioColliundMazzinoMontinari,Bd.1,2.durchgesehene
Aufl.München:DeutscherTaschenbuchVerlag;Berlin,NewYork:WalterdeGruyter1988,
S. 9–156,hierS. 47.
8 Adler:WollenundWirken(Anm.1), S. 8.
9 DiehistorischenGrundclassender christlich-abendländischenMusik. In:Allgemeinemu-
sikalische Zeitung 15 (1880), Nr. 44, Sp. 689–693, Nr.45, Sp.705–709, Nr.46, Sp.721–726
undNr.47, Sp.737–740.
10 Studie zurGeschichte derHarmonie. In: Sitzungsberichte der philosophisch-historischen
Classe der kaiserlichenAkademiederWissenschaften, Bd.98/3.Wien:CarlGerold’s Sohn
1881, S. 781–830,XXXIS.Notenbeilagen.
11 Adler:WollenundWirken(Anm.1), S. 15.
12 Ebd., S. 15f.
ZurPersönlichkeitGuidoAdlers 19
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Guido Adlers Erbe
Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Titel
- Guido Adlers Erbe
- Untertitel
- Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Herausgeber
- Stefan Alker-Windbichler
- Murray Hall
- Markus Stumpf
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0721-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Political Science, National Socialism, Nazi-looted, musical life, provenance research, Nationalsozialismus, NS-Raub, Musikleben
- Kategorie
- Kunst und Kultur