Seite - 36 - in Guido Adlers Erbe - Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
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ISBN Print: 9783847107217 – ISBN E-Lib: 9783737007214
Umdeutung.Dieparallel dazubetriebeneZuspitzungder „deutschnationalen“
Codierunghingegenlegtelangevor1938angelegteantisemitischeBezugsmuster
frei,dieunmittelbarnachdem„Anschluss“ inkrasserAusformungzumTragen
kamen. Anhand der musikbezogenen Umbenennungen vonWiener Straßen-
namenlässtsichdiesbesondersdeutlichzeigen–aufdiekonstitutiveBedeutung
derBenennungvonStraßenundPlätzen fürden „Musikstadt“-Toposhat etwa
Martina Nußbaumer eingehend hingewiesen.19Noch 1938 begann die natio-
nalsozialistische Stadtverwaltung, die nach jüdischen Persönlichkeiten be-
nanntenStraßenumzubenennen.20Stattdessensollten„nationaleKämpferund
grosse deutsche Männer und Frauen“ geehrt werden, die es längst verdient
hätten, dass ihnen in einerdeutschenStadt vomRangeWiens irgendein sicht-
bares Denkmal gesetzt wordenwäre.21Gerade diese Umbenennungen sind in
AbsichtundWirkungnicht zuüberschätzen: JüdischePersonenwurdendamit
durchgestrichen, ihrer sicht- und erkennbaren historischen Existenz beraubt
undausdemkollektivenGedächtnisderStadtregelrechtherausoperiert.Ersetzt
wurdensie indenmeistenFällendurchKomponistennamenundMusikwerke,
diederNationalsozialismusals„deutsch“apostrophierte.EinigeBeispiele:Aus
der 1906 bestehenden „Dapontegasse“ wurde die „Max-Reger-Gasse“ (bis
1945),22 der 1925 benannte „Goldmarkplatz“ hieß von 1938 bis 1945 „Walter-
Flex-Platz“,23 die seit 1873 bestehende „Mendelssohngasse“ wurde 1938 in
„Mestrozzigasse“ umbenannt (bis 1947)24unddie 1932 benannte „Offenbach-
gasse“ wurde 1938 zur „Rollergasse“ (bis 1947).25Vonbesonderer Perfidie ist
außerdem die Umbenennung der „Mahlerstraße“: 1919 so benannt, hieß sie
zwischen 1938 und 1946 „Meistersingerstraße“.26Darin zeigt sich dieGewalt-
tätigkeit, vonderdieUmbenennungengetragenwaren,besondersdeutlich: als
Ausdruckeines zynisch inszeniertenTriumphsdeutscherMusiküberdasMu-
sikschaffen jüdischerKomponisten,der indie„Musikstadt“eingraviertwerden
sollte.UndesdürftekeinZufallgewesensein,dassdieaufdenBeginnderErsten
Republik datierende Einschreibung GustavMahlers in dieWiener Stadttopo-
19 Nußbaumer:Musikstadt (Anm.4), S. 157–161.
20 Vgl. Birgit Nemec: Straßenumbenennungen als Medien von Vergangenheitspolitik. In:
OliverRathkolb, PeterAutengruber, BirgitNemecundFlorianWenninger: Straßennamen
Wiens seit 1860 als „Politische Erinnerungsorte“. Forschungsendbericht. [Wien] 2013,
S. 25–44, hier S. 34.Website der StadtWien,URL:http://www.wien.gv.at/kultur/abteilung/
pdf/strassennamenbericht.pdf, abgerufenam8.10.2013.
21 Wiener Rathaus-KorrespondenzWien, 23.02.1939; Verweis auf das Amtsblatt der Stadt
Wien, 17.02.1939.Zit. in:Nemec:Straßenumbenennungen(Anm.20), S. 34.
22 PeterAutengruber: LexikonderWiener Straßennamen.Bedeutung,Herkunft, frühereBe-
zeichnungen. 7. Aufl.Wien,Graz,Klagenfurt: Pichler2010, S. 63.
23 Ebd., S. 104.
24 Ebd., S. 191f.
25 Ebd., S. 207.
26 Ebd., S. 182.
FritzTrümpi36
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Guido Adlers Erbe
Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Titel
- Guido Adlers Erbe
- Untertitel
- Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Herausgeber
- Stefan Alker-Windbichler
- Murray Hall
- Markus Stumpf
- Verlag
- V&R unipress GmbH
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0721-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Political Science, National Socialism, Nazi-looted, musical life, provenance research, Nationalsozialismus, NS-Raub, Musikleben
- Kategorie
- Kunst und Kultur