Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
Seite - 15 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 15 - in Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)

Bild der Seite - 15 -

Bild der Seite - 15 - in Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)

Text der Seite - 15 -

I.3. Regionale Unterschiede der Zunft-Bezeichnungen und Definitionsversuch 15 hervortretenden religiösen Bezug der besprochenen Handwerksorganisation verwendet26. Wie problematisch der Zechbegriff sein kann, zeigt beispielsweise Karl Uhlirz27 auf, der für die Anfangszeit des Wiener Gewerbes explizit zwischen „Handwerk“ im gewerblichen Sinne und „Zeche“ in der bruderschaftlichen Bedeutungsebene – im Sinne des älteren lateinischen Wortes [con]fraternitas – unterscheidet; für ihn entsteht die Zunft erst durch die Verbindung zwischen dem gewerblichen und dem bruderschaftlichen Bereich. Dem Wortgebrauch in den Wiener Quellen entsprechend vermeidet er jedoch die Bezeich- nung „Zunft“ in seiner Darstellung. Die von Uhlirz postulierte Unterscheidung zwischen „Handwerk“ für die wirtschaftlich orientierte Vereinigung und „Zeche“ für den religiös- bruderschaftlichen Verband von Handwerkern wird anschließend beispielsweise von Hans Lentze (1909–1970) ebenso für die Anfangszeit der Wiener Handwerksgeschichte übernommen28, jedoch nicht ohne auf den bereits in dieser Entwicklungsstufe existieren- den engen Zusammenhang zwischen den beiden Gruppen hinzuweisen. Dem häufigen Gebrauch des Wortes „Zeche“ in den Ordnungen des HWOB folgend, wird dieser Begriff in der nachfolgenden Untersuchung auch bevorzugt gebraucht, um die gewerbliche und genossenschaftliche Vereinigung der Handwerksmeister zu bezeichnen. Der Hinweis auf den gewerblichen Charakter der Organisationen ist umso wichtiger, da in der Forschungsliteratur ein scharfer Trennstrich zwischen diesen und den sogenann- ten „politischen Zünften“29 gezogen wird. Mitunter wird auch eine Vereinigung zwischen mehreren verschiedenen Handwerken zu einer Bruderschaft mit prinzipiell religiöser Ori- entierung als „Zeche“ angeführt, vor allem in Fällen, in denen auch im HWOB selbst dieses Wort gebraucht wird30. Die regionalen Differenzierungen verraten allerdings noch nicht viel über die einzel- nen Funktionen einer Zunft bzw. Zeche und helfen bei der Suche nach einer möglichen Definition nicht viel weiter. In der historischen Forschung hat sich im Laufe der Zeit überwiegend ein Konsens über die Grundcharakteristika von Zünften eingestellt, der sich auch in den entsprechenden Lemmata der einschlägigen Lexika widerspiegelt. Knut Schulz hebt beispielsweise in seinem Artikel im Lexikon des Mittelalters31 als wesentliches Merkmal der zünftischen Verbindung die geschworene Einigung hervor, die dafür sorgte, dass nicht nur die Zugehörigkeit zum gleichen Gewerbe entscheidend war, sondern sich ein Wandel hin zu einer societas et fraternitas vollzog, bei der die Mitglieder diverse Rechte hatten, gleichzeitig aber auch zahlreichen Pflichten unterworfen waren. Zentral sind für Schulz auch Merkmale wie der Zunftzwang, die freie Wahl der Zunftmeister und das genossenschaftliche bzw. bruderschaftliche Zusammenleben, das sich in gegenseitiger Un- terstützung der Mitglieder, Totenfolge und -memoria ausdrückte. Gleichzeitig nahmen die Zünfte laut Schulz ab der Mitte des 14. Jahrhunderts in einzelnen Städten auch rege am politischen Leben teil, es bildeten sich „politische Zünfte“. Schulz verfolgt also einen deutlich multifunktionalen Definitionsansatz. Ähnlich argumentiert auch Jürgen Brand 26 Manchmal findet sich in den Wiener Ordnungen dezidiert die Bezeichnung bruderschafft, zum Beispiel für die Vereinigung der Ziegelmacher, die sich wohl zum großen Teil auf eine Organisation der Hand- werker untereinander bezieht, vgl. Nr. 332. Zu Bruderschaftsbegriff und Funktionsrahmen der Bruderschaften allgemein siehe Escher-Apsner, Bruderschaften passim. 27 Uhlirz, Gewerbe 610. 28 Lentze, Struktur 15f. Siehe dazu auch unten S. 22. 29 Siehe unten S. 29f. 30 Zur Begriffsproblematik in Bezug auf Wien siehe auch Uhlirz, Gewerbe 610 Anm. 2. 31 Schulz, Art. Zunft 687.
zurück zum  Buch Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)"
Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364–1555)
Titel
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
Untertitel
(1364–1555)
Autor
Markus Gneiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20418-3
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
674
Schlagwörter
Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Das Wiener Handwerksordnungsbuch