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Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
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20 II. Das Wiener Handwerk vom 13. Jahrhundert bis zum Jahre 1527 eine im Jahr 1208 von Herzog Leopold VI. ausgestellte Urkunde57. In dieser verfügte der Landesfürst, dass die sogenannten Flandrenses58 Rechte und Freiheiten der anderen Wie- ner Bürger besitzen sollten, obwohl sie nicht dem Stadtrichter, sondern dem herzoglichen Münzkämmerer unterstellt waren. Die Wiener Stadtgeschichtsforschung identifizierte diese Flandrenser durchgehend als Tuchfärber59 oder auch etwas differenzierter als „Tuch- händler und -färber“60. Erst vor kurzem hat Franz Irsigler mit überzeugenden Argumen- ten darauf hingewiesen, dass es sich bei den in der Urkunde von 1208 genannten Fland- renses wahrscheinlich um einen Zusammenschluss von flandrischen, am Donauhandel interessierten Kaufleuten handelte, deren Interesse es war, vom Landesfürsten rechtliche Vorteile zu erlangen61. Abgesehen von diesem speziellen Fall der Flandrenser, die wohl doch keine Färber waren, können im Wien des 13. Jahrhunderts trotzdem Handwerker nachgewiesen wer- den, wenn auch die Nachrichten spärlich bleiben. So ist beispielsweise im Jahre 1211 von Marktständen der Schuster und der Fischer und von Fleischbänken auf dem Hohen Markt zu hören62. Vom Darlehen, das Herzog Leopold VI. den Wiener Kaufleuten und Handwerkern angeblich zukommen ließ, war bereits die Rede63. Jans Enikel weiß wei- ter zu berichten, dass Wiener Hausgenossen, Kaufleute, Kürschner, Krämer, Fleischhauer und Bäcker dem Herzog zur Weihnachtszeit einen prachtvollen Empfang mit zahlrei- chen Ehrengaben bereiteten64. Zum Jahr 1288 wird in der Schilderung des Steirischen Reimchronisten eine bemerkenswerte Vielfalt an unterschiedlichen Gewerben in Wien genannt: Bäcker, Fasszieher, Gerber, Goldschmiede, Hafner, Hutmacher, Korbflechter, Messerer, Sattler, Schlosser, Tuchmacher und zahlreiche weitere65. Ebenso 1288 hatten die incisores (in deutschsprachigen Urkunden später hantschneider und laubenherren ge- nannt) eine herzogliche Urkunde erwirkt, in der ihnen unter anderem der Ausschnitt von 57 WStLA, H. A.-Urk. Nr. 0b; Rechte und Freiheiten 1, ed. Tomaschek Nr. II; BUB 1 Nr. 161; FRA III/9 Nr. 3; QGW II/1 Nr. b; Lohrmann–Opll, Regesten Nr. 305. 58 WStLA, H. A.-Urk. Nr. 0b: burgenses nostros, qui apud nos Flandrenses nuncupantur. 59 Uhlirz, Gewerbe 601; Zatschek, Handwerk 12; so auch noch Csendes–Opll, Geschichte Wiens 98. Diese Gleichsetzung mit den Färbern geht wohl auf die Überlieferung der Privilegienbestätigung für die Flandrenser durch Herzog Albrecht III. vom 18. Dezember 1373 im EB fol. 73r–v, zurück, wo es in der Über- schrift heißt: Der brief lautt von der Flemmygen oder der verber rechten. Das Original der Urkunde liegt im WStLA, H. A.-Urk. Nr. 837, vgl. den Druck in: Rechte und Freiheiten 1, ed. Tomaschek Nr. LXXXVI (nach der Überlieferung im EB); FRA III/9 Nr. 36. Regesten: Regesta Habsburgica V/2, ed. Lackner–Feller–Seit- schek Nr. 1054 (Original); Opll, Eisenbuch 39f. (Überlieferung im EB). 60 Opll, Planung 232. 61 Irsigler, Polyethnizität 209–211, 216–221. Irsigler kann das Vorgehen der flandrischen Handels- leute, Fahrt- und Handelsverbände zu bilden und dadurch rechtliche Vergünstigungen zu erlangen, seit dem 11. Jh. nachweisen. Dass die Flandrenses dies auch in Wien versuchten, ist anzunehmen. Weiters weist er darauf hin, dass im Privileg von 1208 keine Rede von Färbern sei, sondern lediglich von einem consortium, dessen officium es gewesen sei, Handel zu treiben (negociari). Schlussendlich ist Irsigler auch in dem Punkt zuzustimmen, dass selbst die Bemerkung im EB (der Flemmygen oder der verber rechten) nicht bedeutet, dass die Flandrenser bereits 1208 Tuchfärber gewesen sind; vielmehr könnte diese im Jahre 1373 erfolgte Gleichsetzung von Flemmygen und verber damit zusammenhängen, dass sich die Flandrenses von 1208 im Laufe der Zeit auf den Beruf der Tuch- färberei spezialisiert hatten. Irsigler sieht also wohl berechtigterweise im erwähnten consortium der flandrischen Kaufleute eine frühe Form der Hanse. 62 Uhlirz, Gewerbe 602; Piepes, Geschichte 7. 63 Siehe oben S. 17. 64 Jans Enikel, Fürstenbuch, ed. Strauch 631f. V. 1715–1784; vgl. Uhlirz, Gewerbe 602. 65 Ottokars Österreichische Reimchronik, ed. Seemüller V. 65664–65716. Vgl. dazu Opll, Nach- richten 55f.; ders., Leben 2 434f.
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Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364–1555)
Titel
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
Untertitel
(1364–1555)
Autor
Markus Gneiß
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2017
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20418-3
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
674
Schlagwörter
Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
Kategorien
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