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190 Erkenntnis.
bedeutet: 1. den Vorgang des Erkennens, den Erwerb der
Erkenntnis, den Erkenntnisprozeß, 2. das Produkt, Resultat des Erkennens,.
die (einzelne oder allgemeine) Erkenntnis, sei diese nun unmittelbar, anschau-
lich, konkret oder mittelbar, begrifflich, abstrakt, Verstandes- oder Vernunft-
erkenntnis, empirische oder metaphysische, naive oder methodische, kritische
(Erkenntnisarten). Das Erkennen ist, psychologisch, eine Funktion des erken-
nenden Subjekts (s. d.), welche auf ein Ziel, die Erkenntnis selbst (das „reine
Erkenntnisziel") gerichtet ist, wobei die letztere wieder ein (praktisches) Ziel
haben kann, das aber nicht den Maßstab für die Beurteilung des theoretischen
Wertes der E. liefern kann (s. Wahrheit, Pragmatismus). Erkenntnis entsteht
nicht „von selbst", ist nichts Passives, Gegebenes, sondern ein Erwerb
Grund von Reaktionen des Subjekts Erlebnissen, die es in fort-
schreitender Weise aktiv verarbeitet. Es folgt einerseits der Gesetzlich-
keit des erkennenden Bewußtseins selbst, den Forderungen, Normen des reinen
Erkenntniswillens, welche logische, „apriorische" (s. d.), „transzenden-
(s. d.) Bedingungen objektiver Erkenntnis sind, anderseits den Inten-
tionen, Andeutungen des Gegebenen, der objektiven Erlebnisinhalte, durch die
es sich im Einzelnen bestimmen, motivieren, leiten läßt. Denn so sehr das Er-
kennen eine „subjektive", geistige Tätigkeit ist, so sehr wird es, wofern es
wahres Erkennen zur geleitet. Der Erkennt-
niswille geht auf die Erfassung der Existenz und Beschaffenheit der Sachen
selbst, er gegenständlich gerichtet. Erkenntnis ist somit die (mehr
oder weniger genaue, adäquate und vollständige) Einsicht in die
und den Zusammenhang der Dinge und des Geschehens, die Bestimmung
des Seins und Soseins der Objekte und ihrer Beziehungen. Diese
Feststellung gelangt in Urteilen zum Ausdruck, und so läßt sich sagen:
Erkenntnis ist ein objektiv begründetes Urteil; Erkenntnis ist uns (als
System) in allgemeingültigen, objektiven Urteilen gegeben, in Urteilen, welche
objektive oder Zusammenhänge in gedanklicher, Weise zu
symbolischer Darstellung, bringen, die aber mit einer „Abbildung"
der Dinge im Bewußtsein nichts zu tun hat. „Erkannt" ist etwas, wenn wir
beurteilen können, was und wie es ist, wie es sich konstant, unabhängig von
unserer individuellen Meinung, Lage usw. verhält, wie es auf Grund
methodischer Verarbeitung und Kritik der uns durch die Wahrnehmung
gebotenen Erkenntnisdaten allgemeingültig beurteilt werden muß. Erkenntnis
ist ein Urteil, dem etwas Seiendes, Gegenständliches entspricht, zugeordnet
werden kann und muß, ein Urteil, dessen Inhalt Ausdruck einer ob-
jektiven Relation ist, das also für das Objektive, Seiende, Geltung
hat. Alle wahre, echte E. ist objektiv, enthält Zusammenhänge, die vom
einzelnen Subjekt unabhängig sind, von jedem anerkannt werden müssen;
insofern ist sie auch „absolut". Die E. ist anderseits „relativ" (s. d.), soweit sie
nicht das (absolute) sich" der Dinge (s. Ding an sich), die absolute Wirklich-
keit (s. d.) selbst, sondern nur deren objektive „Erscheinung" (s. d.)
die aus Beziehungen besteht, welche für das theoretische, erkennende „Bewußt-
sein überhaupt" (s. d.) Geltung haben. Die E. ist, auch wo sie auf Wahr-
nehmung und Erfahrung (s. d.) sich stützt, von ihr ausgeht, sich auf sie be-
zieht, stets ein Werk des Intellekts, des Denkens, welches an dem
material sich zunächst unmittelbar betätigt, aber nicht bei demselben stehen
bleibt, es nicht ungeprüft hinnimmt; außerdem ist E. durch den Willen be-
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Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften