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(s. d.). „Nur das Denken kann erzeugen, was als Sein gelten darf." Aus der
Einheit und Kontinuität der Denksetzung geht alle Erkenntnis und ihre Gegen-
ständlichkeit hervor (Logik, 1902, S. vgl. Kantstudien XVII,
1912; NATORP, Die logischen Grundlagen der exakten Wissenschaften, 1910,
S. 21 ff.). Vgl. Sein, Urteil, Logik, Hypothesis.
Urteil iudicium, propositio, enunciatio) heißt
sowohl der Urteilsakt, die Urteilsfunktion als auch der Inhalt, der den
Sinn des Urteils ausmacht. Den Urteilsakt als solchen untersucht
Psychologie; das Urteilen zeigt sich hier als ein psychischer Prozeß,
der in der Regel von Gesamtvorstellungen oder auch Gedanken aus-
geht, welche durch aktive „Apperzeption" (s. d.) in begriffliche Elemente zer-
legt und gegliedert werden, worauf die Produkte dieser Analyse wieder in eins
synthetisch zur Einheit eines Denkzusammenhanges verknüpft werden.
Das Urteilen ist ein intellektueller Akt, ist aber durch Gefühle, das
praktische Interesse (s. d.), den Denk- und Erkenntniswillen beeinflußt, moti-
viert und fällt je nach den Gesichtspunkten der Beurteilung verschieden aus.
Ein Geltungsbewußtsein hegt in der Regel im Urteil, aber erst im
Urteil über oder gegen andere Urteile tritt es hervor. Formuliert wird das U.
im Satz (s. d.), in welchem ein Subjekt durch ein Prädikat bestimmt wird (s.
Kopula, Prädikat). ist das U. die begriffliche Bestimmung eines
noch (relativ) unbestimmten, zu bestimmenden Inhalts im Hinblick auf einen
Inhalt, der zu ihm gehört, zu ihm in Beziehung steht oder zu setzen ist. Im
U. ist etwas als durch etwas bestimmt gesetzt; den Inhalt des Urteils
die Synthesis der Urteilsglieder, mag diese anerkannt oder verworfen,
richtig oder unrichtig sein. Es werden aber, primär, nicht fertig gegebene
Begriffe (s. d.) bestimmt und verknüpft, sondern im Urteil selbst erstehen
immer wieder erst Begriffe, um dann die Grundlage zu weiteren („synthe-
tischen" oder „analytischen") Urteilen zu bilden). Die ersten Begriffe
erzeugt Urteil an der Anschauung („Anschauungsurteile" als Vor-
stufe eigentlicher „Begriffsurteile"). Insofern das Urteil eine Bestimmtheit oder
Relation enthält, wie sie objektiv gefordert ist, den „Sachverhalt" zum Aus-
druck bringt, ihm „entspricht", ist es eine Erkenntnis (s. d.), gibt es, hat
es Wahrheit (s. d.). Der Anspruch auf objektive Geltung ist dem U.
immanent, ohne daß diese in der Regel ausdrücklich behauptet Zu
unterscheiden sind, nach verschiedenen Gesichtspunkten: empirische und
apriorische, analytische und synthetische Urteile, unbestimmte, benennende,
erzählende, beschreibende, erklärende, Identitäts-, Subsumtions-,
urteile, Abhängigkeitsurteile (Kausal-, Finalurteile), Wert-
urteile; vgl. WUNDT, Logik I2, 155 ff.; B. ERDMANN, Logik2, 1907, I; SIG-
WART, Logik 1889/93, 631 ff.; 4. A. 1911; JERUSALEM, Die Urteilsfunktion;
KREIBIG, Die intellektuellen Funktionen, 1909, S. 173, u. a.). Die ältere Ein-
teilung ist die nach der Quantität (s. d.), Qualität (s. d.), Relation (s. d.) und
Modalität (s. d.) und trifft zum Teil nur unwesentliche Merkmale des Urteils
oder nur die Art des subjektiven Bewußtseins beim Urteilen. Betreffs der Ver-
bindung von Urteilen vgl. Kopulativ, Disjunktiv, Divisiv; betreffs
des Verhältnisses von Urteilen zueinander vgl. Äquipollent, Kontradiktorisch,
Konträr, Subkonträr, Schluß, Widerspruch.
Das U. wird teils (meist) als in teils als Zer-
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Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften