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Wahrheit.
vom göttlichen Bewußtsein überzeitlich umfaßt werden. „Was wahr ist, ist
nur wahr, weil es für alle Zeit und darum auch für die Ewigkeit gilt".
„Wirklich ist etwas nur, weil es an diesem Ewigkeitscharakter der Wahrheit
teilnimmt" (Grdz. d. Erkenntnistheorie, 1901; Zur Krisis in d. Logik, 1903;
Erkenntniskrit. Logik, 1909). Nach M. läßt sich die W. nicht vom
Denken abtrennen, ist aber unvergänglich. „Die Tatsache vergeht, ihre Wahr-
heit aber besteht." Jedes Urteil ist ein „Ewigkeitserlebnis", alle wahren Urteile
sind für die Ewigkeit gefällt, indem der Tatsache im Reiche des Seins eine
unverrückbare Stellung zukommt. Alle Erkenntnis (auch die empirische) ist
ein „Erfassen des Ewigen Vergänglichen" (Kant u. Bolzano, 1902; Der
Streit der Psychologisten u. Formalisten, 1902; Die Logik auf dem Scheide-
wege, 1903). — Absolut, überzeitlich ist die W. nach BRADLEY (Appearance
and Reality2, 1897, S. 165 ff.), JOACHIM (The Nature of Truth, S. 21,
u. a. Denknotwendige, absolute Wahrheiten (Axiome, Kategorien) gibt es nach
J. ROYCE, nach welchem die W. insofern „instrumental" ist, als sie ein Mittel
zur Erreichung des Willenszieles ist (Bericht über den III. intern. Kongreß f.
Philos., 1909; „absoluter" Pragmatismus).
Bei aller Berücksichtigung der Relativität empirischer Einzelwahrheiten
lehrt der Kritizismus die apriorische absolute Geltung der Grundsätze der Er-
kenntnis (s. A priori, Axiom, Kategorien). Es gibt nach KANT Wahrheiten,
die nicht von der Erfahrung abhängen, also „auf gar keine Zeitbedingung be-
schränkt" sind, d. h. „sie sind a priori als Wahrheiten erkennbar, welches mit
dem Satze: sie sind als notwendige Wahrheiten erkennbar, ganz identisch
(Über eine Entdeckung . . ., 2. Abschn.; Kleine Schriften 60). Die W.
besteht formal nicht in der Übereinstimmung von Urteilen mit an sich be-
stehenden Dingen, sondern in der „Übereinstimmung aller Gedanken mit den
Gesetzen des Denkens, und also untereinander" (Reflexionen, 927), in der
„Übereinstimmung mit den Gesetzen des Verstandes". Dieses formale
Kriterium ist die Bedingung aller ein materiales Kriterium
kann die Logik nicht geben, da diese formal ist (1. c. S. 81 f., 84). Die objektive
W. apriorischer ist insofern „Einstimmung mit dem Objekt", als sie
selbst das Objekt der Erfahrung erst möglich macht, indem „sie nichts weiter
enthält, als was zur synthetischen Einheit der Erfahrung überhaupt notwendig
ist". Die apriorischen Grundsätze sind „a priori wahr" (streng allgemeingültig
und notwendig) und zugleich der „Quell aller Wahrheit, d. i. der Übereinstim-
mung unserer Erkenntnis mit Objekten, dadurch, daß sie den Grund der
Möglichkeit der Erfahrung, als des Inbegriffes aller Erkenntnis, darin uns
Objekte gegeben werden mögen, in sich enthalten" (Krit. d. rein. Vern.,
S. 261 ff.). Materiale W. ist eines Urteils zu den Gesetzen des
synthetischen, Erfahrungserkenntnis erzeugenden Denkens (vgl. KRUG, Hand-
buch d. Philos. WW. VI, 19). — Als Übereinstimmung zwischen
abstrakter und anschaulicher Erkenntnis faßt die W. SCHOPENHAUER auf
als Wille u. Vorstellung, IL Bd., K. 9; vgl. Metalogisch). Nach WINDELBAND
ist W. „Übereinstimmung der Vorstellungen untereinander, der sekundären mit
den primären, der abstrakten mit den konkreten, der hypothetischen mit den
sensualen, der mit den 1907, 153 ff.). W. ist
„Normalität des Denkens" (S. 160). Anfangs ist der Lebenswert der W. der,
daß sie eine Eigenschaft der Vorstellungen ist, die sie zu zweckmäßigen Mitteln
für unser Handeln macht; aber später wird das Mittel selbst zum Zweck und
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Handwörterbuch der Philosophie
- Titel
- Handwörterbuch der Philosophie
- Autor
- Rudolf Eisler
- Verlag
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Ort
- Berlin
- Datum
- 1913
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- Abmessungen
- 12.7 x 21.4 cm
- Seiten
- 807
- Schlagwörter
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Kategorie
- Geisteswissenschaften