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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band LIX
Seite - 57 -
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überlegungen zu michelangelo als Holzbildhauer 57 sari lobt nicht von ungefähr den gleichmäßigen Faserverlauf und die Gleichförmigkeit der Zellen des Lindenholzes (ha i pori uguali per ogni lato), die eine problemlose Bearbeitung mit Hohleisen und Schleifinstrumenten ermöglichen. Am Kruzifix von Santo Spirito fällt daneben auch die Verschränkung zwischen Farbfassung und Bildhauerarbeit auf. Es sei darauf verwie- sen, wie bestimmte Details mit den Mitteln der Malerei statt durch das Einschneiden in die Oberfläche widergegeben sind – so zu beobach- ten am Bart oder bei der Brustwunde. Es han- delt sich um Phänomene, die auf Michelangelo auch als Urheber der Farbfassung hindeuten. Die Symbiose von zwei- und dreidimensionaler Dar- stellung unterstreicht die ohnehin schon offen- sichtliche anatomische Realitätsnähe. Besonders deutlich wird dies bei der Gestaltung der schul- terlangen Haare, die sowohl reliefartig geschnitzt als auch malerisch angegeben sind, und ebenso in bestimmten äußerst realistischen Details, etwa bei dem von der Brustwunde bis zur Mitte des rechten Oberschenkels triefenden Blut oder beim Brust- und Schamhaar (Abb. 5, 6).20 Zweifel hinsichtlich der Autorschaft Michel- angelos können nur bei der Wiedergabe des Haupt haars aufkommen, das nicht geschnitzt, sondern aus Stuck und Werg modelliert ist. Die- ser Befund gab Ulrich Middeldorf einen Grund, die Urheberschaft Michelangelos für das Kruzifix abzulehnen.21 Ein derartiger Behelf – auf dem ersten Blick eines Künstlers von diesem Format unwürdig – erklärt sich meines Erachtens aus der Unerfahrenheit des jungen Michelangelo auf dem Gebiet der Holzskulptur. Sie mag ihn veranlaßt haben, sich bestimmten zu seiner Zeit üblichen Ausführungspraktiken zu unterwer- fen und so eben auch dieser zwischen dem 15. und 16. Jahrhundert weitverbreiteten Form der Haargestaltung. An gleicher Stelle nannte es Middeldorf unwahrscheinlich, daß Michelangelo zur Ausarbeitung bestimmter Vorsprünge (zum Beispiel am Knie) entsprechende Zusatzstücke an den Hauptblock angefügt habe. Allerdings ent- ging ihm dabei der charakteristische Zug im Aus- führungsprozeß der Statue als ganzer, das heißt der Umstand, daß vor Arbeitsbeginn mehrere Bretter zu einem Block verleimt worden waren. EIN KLEINES, UNVOLLENDETES KRUZIFIX 20 Die originale Fassung konnte während der letzten Restaurierung durch Barbara Schleicher (2000) vollkommen ge- sichert werden; gleichzeitig wurde das während der Restaurierung von 1963 (durch Pellegrino Banella) aufgetragene Wachs entfernt, vgl. Schleicher, Il restauro (zit. Anm. 14), S. 76–77. Daß auch die Fassung durch Michelangelo ausgeführt wurde, ist schon von M. Lisner angedeutet worden; Lisner, Il Crocifisso (zit. Anm. 8), S. 6 und Lisner, Il Crocifisso di Michelangelo (zit. Anm. 8), S. 51–52. 21 Vgl. U. Middeldorf, The Crucifixes of Taddeo Curradi, in: The Burlington Magazine 909, 1978, S. 809. 22 P. Barocchi/K. Loach Bramanti/R. Ristori (Hrsg.), Il carteggio indiretto di Michelangelo, Florenz 1995, S. 128. In beiden für ihn gesicherten Fällen von Holz- bearbeitung wählte Michelangelo Lindenholz. Konnte dies im Fall des Kruzifix aus Santo Spirito durch eine mikroskopische Untersu- chung belegt werden, so erfahren wir es für ein weiteres Kruzifix, welches der Endphase seiner Tätigkeit angehört, aus einem Brief. Ihn richtete Cesare Bettini (in Rom) am 2. August 1562 an Leonardo Buonarroti (in Florenz) und bat cho[n]prare alchuni ferretti da lavorare sopra un’opera d’un corcefiso di tiglio, il quale M(essere) vol fare.22 Als erster hat Charles de Tolnay dieses Schreiben (und ein weiteres vom Vortag) mit einem kleinen Kruzifix in der Casa Buonarroti
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band
LIX
Herausgeber
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Abmessungen
19.0 x 26.2 cm
Seiten
280
Schlagwörter
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur
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