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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band LIX
Seite - 123 -
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,hier wird einmal gutt ruhen seyn‘ 123 Ripas französischer Edition der Iconologie (1644)72 auf der Basis antiker Medaillen tradiert wird (Abb. 22). Nicht nur das einander emotional zugewandte Kaiserpaar ist somit ein essentieller Handlungs- träger, sondern auch der Genius, der, ein zentra- les Element des Sarkophags Kaiser Josephs I. mit den auf der Deckplatte plazierten beiden Genien73 aufnehmend, als entscheidende „Gelenkstelle“ und Agent der Sichtbarmachung wichtiger Hand- lungsmomente fungiert. Bereits die zeitgenössische Kontextualisierung des Prunksarkophags rechnete bewußt mit diesem Doppelaspekt: Zum einen stellt Martin Gerberts Beschreibung die antiken Bedeutungsdimensionen des Genius wie Fama (Posaune) und Aeternitas (Kranz) in den Vorder- grund, zum anderen impliziert die Posaune einen – in liturgischen Formularen74 und anderen zeit- genössischen Publikationen75 ausgesprochenen – Verweis auf das Jüngste Gericht, die Auferstehung der Toten und die durch Mildorfers Kuppelfresko visualisierte Einbindung in den alttestamentlichen Zusammenhang der Lebendigmachung des Ge- beins nach der Prophezeiung des Ezechiel. Fresko und Sarkophag werden nicht zuletzt durch das synästhetisch fruchtbar gemachte Moment des Blasens bzw. Rufens verbunden: Der Genius hat eben die Tuba abgesetzt, mit der er zur Aufer- stehung des Fleisches ruft, und Ezechiel ruft den Winden, die aus allen Richtungen kommen und Odem in die vormals toten Gebeine blasen (vgl. Ez 37, 9–10).76 Die in Mildorfers Fresko Erwa- chenden, die auf den Mittelpunkt, das strahlende Trinitätssymbol, orientiert sind, entsprechen somit dem am Sarkophag erwachenden und sich aufrich- tenden Herrscherpaar. Alles ordnet sich somit dem prozesshaften Ge- schehen, das am Sarkophag ausgebreitet und in der Ansicht von der vorderen Schmalseite zugleich „stillgestellt“ wird, unter: „Statische“ Bedeutungs- träger – wie das auf früheren Sarkophagen an aus- gezeichneter Position angebrachte Kruzifix (z.B. Sarkophag Leopolds I., 1705)77 – können in einem solchen, mit der dynamischen Erfahrungszeit des Betrachters rechnenden Konzept keinen Platz mehr beanspruchen. Bereits seit dem Sarkophag für Kaiser Joseph I. ist quantitativ die ständig geringer werdende Präsenz christlicher Symbole zu bemerken.78 In Molls Laterne über der Maria Theresien-Gruft79 wird das Christusmonogramm dergestalt zu einem Teil des Außenbaus reduziert, indem es über der habsburgischen Mitrenkrone, die auf einem Totenkopf ruht, angebracht ist. Der Prunksarkophag führt diesen Trend der Zurück- drängung christlicher Symbolik weiter und ist in der künstlerischen Realisierung ganz auf szenisch imaginierte Zusammenhänge ausgerichtet, die naturgemäß auf die isolierte Zurschaustellung von Hoheitssymbolen verzichten. 72 Iconologie ou explication nouvelle de plusieurs Images, Emblèmes [...] Tirée des Recherches et des Figures de C. Ripa, moralisées par J. Baudouin, seconde partie, Paris 1644, S. 142 („Rome victorieuse“). 73 Ginhart, Kaisergruft (zit. Anm. 7), Abb. 13. – Lauro, Grabstätten (zit. Anm. 7), S. 205. 74 Rituale Romano-Viennense [...], Wien 1755, S. 190–196 (Officium Sepulturae Adulti sive Clerici, sive Laici). – Offici- um defunctorum, dicendum in die omnium fidelium defunctorum, in die depositionis et in Anniversario alicujus Defuncti, cum una tantum Oratione, Wien 1763, S. 18, 54, 59. 75 Denkmäler dem unsterblichen Andenken Marien Theresiens gewidmet (zit. Anm. 24), S. 248 (Gedanken an dem Fuß des Sarges der großen Theresia). 76 Die mittelalterliche typologische Auslegung der „Concordantia caritatis“ bezog die Ezechielvision auf die Aufer- stehung der Toten (Mt 22, 23) und auf die Zerstörung Jerichos durch Trompeten (Num 10), vgl. E. Gall/L. H. Heydenreich (Hrsg.), Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, 3, Stuttgart 1954, Sp. 833–853, hier Sp. 941–942, Nr. 53 (A. A. Schmid). 77 Ginhart, Kaisergruft (zit. Anm. 7), Abb. 12. – Lauro, Grabstätten (zit. Anm. 7), S. 204–205. 78 Hengerer, Funerals (zit. Anm. 56), S. 390–391. 79 E. Kusin OCap, Die Kaisergruft bei den PP. Kapuzinern in Wien, Wien 1949, Abb. 22. – Hawlik-van der Water, Kapuzinergruft (zit. Anm. 16), S. 30.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band
LIX
Herausgeber
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Abmessungen
19.0 x 26.2 cm
Seiten
280
Schlagwörter
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur
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