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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band LIX
Seite - 132 -
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walter jürgen Hofmann132 einander zum Kreis die Hände reichend – ei- nen himmlischen Reigen tanzen (Abb. 3).15 Im Scheitel des Ovalraumes, dessen illusionistische Architektur den darunter gelegenen dôme percé mit seiner querovalen Öffnung paraphrasierend wiederholt, formieren sie das höchste Bild dieses hypäthral emporstrebenden Ruhmes- und Tu- gendtempels für Lothar Franz.16 Zugleich erhebt sich das Grazienfresko exakt über der inneren und äußeren Mitte des Schlosses im Schnitt- punkt seiner Hauptachsen. Die drei Grazien re- präsentieren darum die oberste Allegorie, die im Zentrum der gesamten Bau- und Raumorganisa- tion die höchste Bedeutung besitzt. Zudem ist diese Erhöhung noch eine Aus- zeichnung. Den Grazien kommt in Pommersfel- den die überragende Stellung zu, und um zu den geschichtlichen Grundlagen seiner Ikonologie vorzudringen, gebührt ihnen die Schlüsselpositi- on. Wer das, was sie sagen, anschaulich zu erfas- sen und zu deuten weiß, für den künden sie vom Dank des Kaisers und „erklären“ im übertrage- nen Sinn die Belohnung an den Kurfürsten, die in der Erbauung des Schlosses ihre monumentale Ausgestaltung fand. So verstanden, verraten die Grazien allerdings auch das Gründungsgeheim- nis Pommersfeldens. Schon die wörtliche Bedeutung von „gratia“ verlautbart, daß im Wortfeld des Dankes sich der Hauptsinn der Grazien-Allegorie ausspricht. Gunst und Gnade, Geschenk und Gabe, An- nehmlichkeit, Spende und Erkenntlichkeit bis zur Gewährung von Vorteilen und Gefälligkeiten sind darin umfaßt.17 Spuren dieser Semantik tau- chen überall im Dotationsdekret auf, der herr- scherliche Gunsterweis – Karls „Gnade“, seine generöse Belohnung für den Reichserzkanzler als bezeigung erkantlichs gemüths, ebenso aber die richtige annehmliche anweisung der Dotation, wofür die böhmischen Kommissare bürgen. Wie eingefärbt ziehen sich die Bedeutungsfäden der dankhnehmigkeit, die in der aufgewerteten The- matik der Grazien zusammenlaufen, durch den Text des Dekrets. Indessen ist die Allegorie der Dankbarkeit nur eine verselbständigte, wie für Pommersfelden prädestinierte Bedeutungskomponente aus dem ikonologischen Gesamtkomplex der drei Grazi- en. Das belegen einschlägige Quellenzitate, durch die aber noch eine andere, ähnlich aufschluß- reiche Teilbedeutung ins Spiel kommt. Nach Zedler umfaßt der Dreiverein der Grazien „die Göttinnen der Annehmlichkeit, Wohlthaten und Danckbarkeit.“18 Bei Sandrart sind sie „Huldgöt- tinnen“ und „lehren uns … Gut und Wolthätig seyn“19. Die annehmliche anweisung steht im Do- tationsdekret, während eine zweite Auslegung als Allegorie der Wohltat, die dort nicht eigens erwähnt wird, neues Licht auf das Grazienfresko wirft, das ebenso auf seine Geschichtsbezüge fällt. iii 15 Hofmann, In campis pomeranicis (zit. Anm. 4), S.132–133; das Fresko malte Johann Rudolf Byß. Mertens scheint das Pommersfeldener Grazien-Bild nicht zu kennen. Bei ihr gibt es kein Beispiel für die Darstellung der Grazien in einem eigenen, nur ihnen zugehörigen Deckengemälde. Zum Grazien-Reigen Mertens, Die drei Grazien (zit. Anm. 14), S. 66, S. 182 und S. 202ff. 16 Hofmann, In campis pomeranicis (zit. Anm. 4), S. 133–134. 17 Mertens (zit. Anm. 14), S. 7 ff. und passim. 18 J. H. Zedler (Hrsg.), Grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 11, Leipzig/Halle 1735, Spalte 616. 19 Joachim von Sandrart, Iconologia Deorum, Nürnberg 1680, S. 195. Lothar Franz war ein Kenner der Schriften Sandrarts, die er eifrig studierte (Q 376 und Q 413).
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band
LIX
Herausgeber
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Abmessungen
19.0 x 26.2 cm
Seiten
280
Schlagwörter
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur
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