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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band LIX
Seite - 133 -
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Schriftquelle, allegorische Lektüre und schloss Pommersfelden 133 Die Dotation darf nicht bloß als würkhliches Kennzeichen der kaiserlichen Dankbarkeit gel- ten. Ihre Gewährung war die ultimative Wohl- tat für die Entstehung wie für die Existenz des Schlosses, das es ohne sie nicht hätte geben kön- nen. Die Grazien spiegeln diesen Konnex in der Bedeutung des Wohltätigen, von „beneficium“ und „beneficentia“.20 Sie erfahren eine ihrem schenkenden Wesen ganz gemäße Allegorisie- rung, und da Wohltat und Dankbarkeit sogar in einem Atemzug genannt werden konnten, laufen beide der „Historie“ Pommersfeldens gleichsam synchron. Eine solche Konformität zwischen ei- nem vorgegebenen Sachverhalt und seiner pro- grammatischen Sublimierung lenkt den Blick ins innere Getriebe der Allegorie und läßt erkennen, wie sie in statu nascendi ans Werk geht. Ihre Verknüpfungstätigkeit bildet die Transmission zur Umwandlung geschichtlicher Prämissen, die außer sich selbst ohne Bedeutung sind, in bedeu- tungsdurchdrungene Sinngebilde. Weil die Grazien immer zu dritt auftraten, muß in Pommersfelden noch eine dritte Be- deutung gewärtig sein. Sie führt zurück auf die einheitsstiftende Vergleichung, die Lothar Franz zugunsten der Wahl Karls zum Kaiser unter den Kurfürsten gelungen war. Im Bild des einver- nehmlichen, in sich kreisenden Himmelsreigens machen die Grazien jene Einigkeit sinnfällig. Als zentrales Deckengemälde des Schlosses haben sie an seinem höchsten Zentralort auch ikono- logisch eine herausgehobene Aufgabe zu erfül- len. Diejenige dritte Bedeutung, wodurch diese Raum- und Bilddispositionen erst verständlich werden, heißt Eintracht, „Concordia“. Sie voll- bringt die tänzerische Harmonie der Darstel- lung, so wie sie ihre drei allegorischen Teilgehalte harmonisiert: In choreographischem Wechsel kommt jede Grazie in die Lage, jeweils eine der drei Bedeutungen zu illustrieren, so daß ein un- aufhörlicher Kreislauf der allegorischen Bekun- dungen entsteht.21 Zusammen erschaffen sie ein Bild vollkommener, untereinander „vergleichli- cher“ Eintracht.22 Von wo aus das Auge immer auf den Grazienreigen trifft: Stets begegnet ihm die Wahrnehmung sich suchender und finden- der Übereinkunft. Ausdruck davon sind zwei singuläre Bildanlagen, die es sonst in keinem Deckengemälde so mehr gibt – seine allseitige Darbietung und die Überhöhung dieses Rund- umprospekts ins Allansichtige. Die allegorische Triade der Grazien aus Dank, Wohltat und Eintracht wird seit der Re- naissance kanonisch.23 Ihre Dreieinheit führt mit der Zeit dazu, daß sich in Übereinstimmung mit ihrem anschaulichen Charakter die Sinngebung der Eintracht mehr und mehr durchsetzte.24 Der Pommersfeldener Ikonologie war eine solche Ausrichtung auf eine durchgängige Thematik sehr genehm. Die Grazien insgesamt als Allego- rie der Eintracht aufzufassen, verknüpft näm- lich ihre Erscheinung im Wölbspiegel mit dem Hauptbild des Vestibüls darunter, das im Auf- blick durch den dôme percé zu Gesicht kommt,25 und wo die kniende Gestalt der Concordia den auf den Wolken emporfahrenden Herkules, den 20 Umfangreich behandelt und nachgewiesen von Mertens, Die drei Grazien (zit. Anm. 14), in ihrem Kapitel VI, S. 58–155. 21 Ebenda, S. 66 und S. 182; einen Himmelsreigen der Grazien behandelt sie nicht. 22 Gewöhnlich wird jede Grazie durch ihr Attribut ausgewiesen. Bezeichnend, daß in Pommersfelden solche Beigaben fehlen. Die Grazien können daher ihrer Bedeutung nach füreinander eintreten, bis schließlich die Sinnbildlichkeit der Eintracht zu dominieren vermag. 23 Mertens, Die drei Grazien (zit. Anm. 14), S. 134. 24 Ebenda, S.138. Im dritten Geschoß des zweiten Flügels der vatikanischen Loggien zeigt ein Fresko den kanonischen Dreiverein der Grazien sogar mit dem Lemma VNIO (Abbildung bei G. Werner, Ripa´s Iconologia. Quellen, Methoden, Ziele, Utrecht 1977, S. 173, Tafel XVII a). 25 Hofmann, In campis pomeranicis (zit. Anm. 4), S. 242, Abb. 3 und S. 244, Abb. 9
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band
LIX
Herausgeber
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Abmessungen
19.0 x 26.2 cm
Seiten
280
Schlagwörter
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur
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