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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Band LIX
Seite - 149 -
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Schriftquelle, allegorische Lektüre und schloss Pommersfelden 149 Die skulpturale Umsetzung des Emblems ist schon eine fast zu gewitzte Paraphrase. Ein Spiel wird aufgezogen, worin das Sinnbild selbst agiert, und dessen pointierte Sinnfälligkeit ge- rade aus dem „kindischen“ Umgang mit seinen semantischen Rudimenten hervorgeht. Ein sym- bolisches Kindertheater, wie es nur am Eingang einer Grotte in Szene gesetzt werden kann, wird dargeboten, das als Jux sich gibt, obwohl es mit- ten hineinführt in die Kernzone der Ikonologie. Indem die Putten die Bedeutung der Zwergre- quisiten wirklich vor sich her tragen, spielt ihre emblematische Inszenierung mit am Spiel von Loslösung und Ergänzung, das die Bildregie des Schlosses auf die allegorische Bühne bringt.83 Scherz und Ernst treten zusammen auf, aber wer weiß, wie ironisch ein derartiges „Sinne-Spiel“ aufgenommen wurde.84 Hingegen läßt sich beweisen, daß das an- schauliche Denken, das in Pommersfelden am Werk war, sich solcher Symbolismen bedien- te und ihrer Logik folgte. Am Laibungsscheitel des mittleren Ovalfensters im Hauptsaal fällt der Blick auf ein Emblem, das ganz unscheinbar aussieht, obzwar es an einem bevorzugten Ort er- scheint. Vertikal sitzt es in der Mittelachse von Wand und Raum und markiert zudem noch die Mitte zwischen der Tugendallegorie oben und dem Tugendgeleit Merkurs darunter. Genau dort liegt der emblematische Fluchtpunkt des Schlosses, worin sich gleich einem Brennspiegel seine Ikonologie fokussiert. Einsichtig wird, wie bündig und selektiv, aber auch wie vielschichtig und hintergründig die Bildwelt Pommersfeldens durchkomponiert ist. Das Emblem geht zurück auf die „Amorum Emblemata“ Otto van Veens und handelt davon, daß Herkules den Amorkna- ben an die Hand genommen hat und ihn in ei- ner bergigen Landschaft entlang eines aufsteigen- den Weges führt, der nach einem kurzen Abfall immer weiter steigt.85 Kenntnis über den tieferen Sinn, der hinter dieser Symbolik nicht nur für den Hauptsaal steckt, verschafft das zugehörige Lemma in seiner deutschen Übersetzung, die in Pommersfelden benutzt worden sein muß, und die lautet: „Die Tugend / der Liebe Anführerin.“86 Gegenüber dem originalen Lemma „Virtute duce“ sagt der deutsche Text des Sinnspruchs unverblümt, wor- auf es ankam und weshalb gerade dieses Sinnbild für diesen degagierten Finalort ausgesucht wer- den konnte. Der Korrelation von Allegorie und Geschichte wächst ein emblematisches, diskretes und zugleich implizites Ausdrucksregister zu. Herkules verkörpert die Tugend, doch in Pom- mersfelden steht er vor allem für Lothar Franz, so daß die Liebe, deren Anführer er ist, dreierlei Bedeutung besitzt. Sie ist zunächst die eheliche Liebe des kaiserlichen Paars, das Lothar Franz zusammengeführt hatte.87 Daraus ging die Liebe 83 Kaum jemand wird an einem solch „abseitigen“ Ort einen solchen kommentierenden, aufschlußreichen und er- klärenden Symbolismus suchen oder erwarten. Noch dazu befindet er sich in einer viel augenscheinlicheren Reihe gleichformatiger Reliefs von viel geringerer Aussagekraft. Auf dem dreiachsigen Mittelrisalit der Gartenfassade wird die Thematik der Grotte und rustikalen Vergnügens angeschlagen, die Putten spielen mit einem Hirsch oder mit Ziegen, in den beiden Rücklagen bacchantische Gruppen mit Satyrputten. 84 Gegenüber auf der Westseite verbirgt sich eine Relieftafel, wo zwei Putten mit einem Hund auftreten und Schlüssel samt einer ovalen Schatulle halten, Attribute teils von Treue, teils von Liebe und somit Allusionen auf das Kaiserpaar. 85 Otto van Veen, Amorum Emblemata, Antwerpen 1608, S. 52–53. Eine Reproduktion im Hinblick auf die Pom- mersfeldener Emblematik bei W. Harms/H. Freytag (Hrsg.), Außerliterarische Wirkungen barocker Emblembü- cher, München 1975, Abb. 98. 86 „Das ist L. Sinnbilder der Liebe, vorgestellet von Othone Vaenio, Nun aber auch mit Teutschen Reimzeilen erklä- ret“, Nürnberg o. J. (bei Weigels Erben, gegen 1710), S. 55. Im Vergleich zu den Illustrationen der früheren, fremd- sprachigen Ausgaben ist das Emblem seitenverkehrt gedruckt. 87 Die Beziehung zum Kaiserpaar und ihre ikonologische Ausgestaltung behandelt bei Hofmann, In campis pomera- nicis (zit. Anm. 4), besonders S. 134–144; das Schlüsselemblem besprochen S. 140.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band
LIX
Herausgeber
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2011
Sprache
deutsch, englisch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Abmessungen
19.0 x 26.2 cm
Seiten
280
Schlagwörter
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Kategorie
Kunst und Kultur
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