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bildnisse des 17. Jahrhunderts zurückverfolgen
läßt,2 findet sich bei Warhol, auch die seit dem
Beginn der Moderne gängige Identifikation des
Künstlers mit dem Kriminellen läßt er in einer
Folge von Selbstbildnissen von 1963/64, in der
er sich als Strangulierten zeigt, nicht aus. Wenn
sich Warhol darüber hinaus 1967 äußerst stili-
siert als Literat in Denkerpose präsentiert (Abb.
1), das Motiv trotz der engen Fokussierung des
Bildausschnitts auf Kopf und Hand ins Überdi-
mensionale vergrößert und in mehreren Serien
unendlich oft wiederholt, wird das Konzept der
Autorschaft demonstrativ ausgehöhlt. Als ein
zum Klischee geronnenes artistisches Standard-
motiv wird der Habitus des Autors zur bloßen,
sinnentleerten Attitüde. Der Pakt zwischen Au-
tor und Werk scheint damit aufgehoben.
Ist es vor diesem Hintergrund noch mög-
lich, zwei Selbstbildnisse aus dem umfangrei- chen Werk des Künstlers herauszuheben und
ihnen eine tiefgründige, ja vielleicht sogar exis-
tentielle Bedeutung zuzusprechen? Dieser Frage
möchte ich an Hand zweier Selbstbildnisse des
Künstlers nachgehen, bei denen ich nicht umhin
komme, ein Bild der Medusa zu sehen. Die zu
diskutierenden Bilder haben die Aufmerksam-
keit der Forschung bereits auf sich gezogen. Für
Dietmar Elger sind die beiden kleinformati-
gen Selbstporträts auf silbernem und goldenem
Grund aus der Serie der Fright-Wig-Porträts die
außergewöhnlichsten und radikalsten Selbstbild-
nisse im Oeuvre des Künstlers (Abb. 2, 3). Ihre
„auratische und ikonenhafte Wirkung“ führt er
auf die Verwendung des Negativs als Vorlage für
den Siebdruck sowie auf den glänzenden Grund
der beiden Bilder zurück, der besonders im Falle
des Goldgrundes an mittelalterliche Bildtafeln
mit christlichen Themen, genauer an das Motiv
1: Andy Warhol, Self-Por-
trait, 1967, Acryl und Sieb-
druckfarbe auf Leinwand,
200,7 x 177,8 cm, Fondation
Beyeler, Riehen/Basel
2 Vgl. hierzu H. J. Raupp, Untersuchungen zu Künstlerbildnis und Künstlerdarstellung in den Niederlanden im 17.
Jahrhundert, Hildesheim 1984.
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Abbildung an dieser Stelle nicht gezeigt
werden.
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Band LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
- Band
- LIX
- Herausgeber
- Bundesdenkmalamt Wien
- Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2011
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78674-0
- Abmessungen
- 19.0 x 26.2 cm
- Seiten
- 280
- Schlagwörter
- research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
- Kategorie
- Kunst und Kultur