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8 1 Einleitung: Wien, jüdische Differenz und Sportfunktionäre
undmit NichtjüdInnen aushandelten“.26 Galt nach 1918 gerade das Kino als
jenerOrt,der– indenWortenAlfredPolgars–die„VölkerWiensumschlingt“,
wie es zuvor dieDynastie tat,27 dannwaren es speziell dieVarietés,Unterhal-
tungstheater, Theater undKabaretts,28 in denenunterschiedlicheAspekte des
„Jüdischseins“ und jüdischer Differenz auf der Bühne beispielhaft verhandelt
wurden, wobei mitunter auch kulturelle Grenzziehungen überschritten wur-
den.29 Gerade in diesen Durchbrechungen mutierte die Populär- zu einer
selbstdefinierten popularen Kultur, wenn sie Selbstvergewisserungen für Ju-
den und Jüdinnen ermöglichte undOrte der Ausverhandlung bereithielt, und
hier erhielt der Sport inder Zwischenkriegszeit eine zentraleBedeutung.
Obwohl auch imWiener Sportgeschehen offenbar jedermannwusste,wer
„einJude“war,wurdedieseUnterscheidungflexibeleingesetzt. JüdischeDiffe-
renz scheint hier oft „unsichtbar“30 gewesen, in anderenFällenhingegen, be-
sonders wenn es um antisemitische Ausschreitungen ging, überdeutlich zum
Vorscheingekommenzu sein. Entscheidenddafürwar, dass Judenund Jüdin-
nenalsAkteurInnen invielenFeldernderPopulärkultur tätigwaren,dassaber
speziell im Sport nach 1918 eine teilautonomePopularkultur entstand, in der
sich,wiewohl stetsmit anderenkulturellenFeldernverbunden, eigenständige
Verhandlungenvon Identität austragen ließen.31
SportfunktionärInnenundgesellschaftliche
Partizipation
Die Beschäftigungmit SportfunktionärInnen erschien ausmehreren Gründen
als besonders gewinnbringend,umErkenntnisse zuFragenvonPopulärkultur
26 KlausHödl, Das „Jüdische“ in der allgemeinen Populärkultur. In:Hödl (Hg.), Nicht nur
Bildung, 7–20, hier 10.
27 AlysX.George, Hollywoodon theDanube?Vienna andAustrian Silent Filmof the 1920s,
in: Deborah Holmes, Lisa Silverman (Hg.), Interwar Vienna. Culture between Tradition and
Modernity (Rochester 2009) 143–160, hier 143.
28 Hans Veigl, Luftmenschen spielen Theater. Jüdisches Kabarett inWien 1890–1938 (Wien
1992); Brigitte Dalinger, „Verloschene Sterne“. Geschichte des jüdischen Theaters in Wien
(Wien 1998).
29 KlausHödl, „JüdischeDifferenz“ in derWiener Populärkultur. In:Medaon 11,H. 6 (2012),
online unter http://www.medaon.de/de/artikel/juedische-differenz-in-der-wiener-populaerkul
tur/ (22.Dezember 2015).
30 Silverman, BecomingAustrians, 8.
31 ZueinemkulturwissenschaftlichorientiertenZugang,derdenmodernenSportmitanderen
kulturellen Feldern in Beziehung setzt, den Sportpraxen aber eine Eigendynamik und be-
Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Titel
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Untertitel
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Autoren
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 376
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918