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„Badeni-Krise“ und „Waidhofener Prinzip“ 27
ren. […]DaswarAnlaß fürOberturnwart FranzXaverKießling,dieRassenfrageaufzurol-
len,undsowurdenam3.April 1887dieVereinssatzungendahingehendabgeändert, daß
Mitglieder nur ‚Deutsche arischer Abkunft‘ sein dürfen. Dieser Arierparagraph war frei
von jedemglaubenstümlichenEinschlagundstellte sichausschließlichaufdenRassege-
danken, der damit zumerstenMale in einemdeutschenVereinGeltung erhielt. […]Aber
bei einemgroßen Teil stieß diesemutigeHaltung aufWiderstand,weilmandiese völki-
scheHaltung als politischeBetätigung ansah. Es ist klar, daßdie Juden alles daransetz-
ten, die Arbeit der völkischen Turner nicht nur zu erschweren, sondern unmöglich zu
machen. Trotz allem kam der Zusammenschluß 1889 zum Deutschen Turnerbund, der
nundieAngriffsflächeallerGegnerwurde.“15
Hier zeigt sich, dass die zentralen Elemente der in den Nürnberger Gesetzen
formalisiertenDefinitiondes„Juden“amAusgangdes 19. Jahrhundertsbereits
fixiert und inmanchen Bereichen auch wirkmächtig waren. Ab 1896 folgten
zahlreicheSportvereineund-verbändedemBeispielderTurner,wobeidieAus-
schlussmechanismen und -kriterien nicht einheitlich waren.16 So präzisierte
etwa der Bund Deutscher Radfahrer Oesterreichs (B.D.R.Oes.) im Dezember
1896,dassdie „BedingungderdeutschenAbstammung“durch„die erläutern-
deBestimmung ‚arisch‘“ zu ergänzen sei.17
Neben dem B.D.R.Oes. war auch der Deutsche Radfahr-Bund (D.R.B.) in
Österreich vertreten. Dessen „Gau 34 ‚Niederösterreich‘“ sei „überhaupt die
derzeit deutschvolklich vorgeschrittenste Radfahrervereinigung Oesterreichs,
dieGaue35und36 stehenebenfalls auf strammerdeutschnationalerGrundla-
ge“,18 schrieb der Radfahr-Sport. ImDeutschen Volksblattwar zu lesen: „Der
Gau 34 des D.R.B. will beim nächsten Bundestag beantragen, daß nur mehr
Deutsche,arischerAbkunft, indenBundaufgenommenwerdensollen.“19Zwei
Jahre später wurde der Versuch aufgegeben, diese Bestimmung im gesamten
D.R.B.durchzusetzen.Einerseits,weilkeineMehrheitdafürabsehbarwar,und
zweitens, weil das deutsche Vereinsgesetz derartige diskriminierende Bestim-
mungennicht erlaubte.
Aber auchwenn sichVereine als unpolitischpräsentierten, bedeutete das
nichtautomatischdieAbsenzvonArierparagrafenoderandererAusschlussme-
15 Arbeitersturm(16.4. 1938) 14 (NachdruckeinesArtikelsvonWilhemSchnauck inderMün-
chener Zeitungvom27.März 1938).
16 Vgl. zuDeutschland:Hans-JürgenKönig, „Herr Jud“ sollen Sie sagen. Körperertüchtigung
amAnfangdes Zionismus (SanktAugustin 1998).
17 Radfahr-Sport. Amtliche Zeitungdes „Bunddeutscher RadfahrerOesterreichs“. Zeitschrift
für das gesamteRadfahrwesen (25. 12. 1896) 1166.
18 Radfahr-Sport. Amtliche Zeitungdes „Bunddeutscher RadfahrerOesterreichs“. Zeitschrift
für das gesamteRadfahrwesen (18.6. 1897) 445.
19 DeutschesVolksblatt (13. 7. 1897) 9.
Sportfunktionäre und jüdische Differenz
Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Titel
- Sportfunktionäre und jüdische Differenz
- Untertitel
- Zwischen Anerkennung und Antisemitismus – Wien 1918 bis 1938
- Autoren
- Bernhard Hachleitner
- Matthias Marschik
- Georg Spitaler
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Ort
- Berlin
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-055331-4
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 376
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918