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6 | Einleitung
2010). Grammatische Besonderheiten wie z.B. das vermehrte Vorkommen von
Verbzweitstellung in Nebensätzen mit weil oder obwohl (vgl. Wegener 1993;
Günthner 1993; Uhmann 1998; Antomo/Steinbach 2010; Freywald 2010), von
Ellipsen (vgl. Selting 1997; Busler/Schlobinski 1997; Plewnia 2003; Redder 2006)
oder Expansionen (vgl. z.B. Altmann 1981; Selting 1993; Auer 1991) wurden in
den Blick genommen und ausführlich behandelt. Die grammatiktheoretische
Verortung gesprochener in ihrem Verhältnis zu geschriebener Sprache wirft
dabei zentrale Fragen auf, die im Folgenden kurz skizziert werden sollen.
In der Grammatikschreibung gibt es nach wie vor unterschiedliche Stand-
punkte zur Frage, ob geschriebener und gesprochener Sprache unterschiedliche
Systeme zugrunde liegen.8 Verfasser von Grammatiken, die davon ausgehen,
dass die Unterschiede nur in der Sprachverwendung, also auf parole-Ebene
liegen, gehen von einer automatischen Mit-Beschreibung der gesprochenen
Sprache durch die traditionelle Grammatikschreibung aus (vgl. z.B. Engel 1988
oder Eisenberg 1998/1999). Erste Versuche, mündlichen und schriftlichen
Sprachgebrauch gleichermaßen grammatikalisch zu beschreiben, unternimmt
Weinrich (1993) in seiner Textgrammatik. Bis auf das Kapitel ‚Syntax des Dia-
logs’ sind jedoch nur vereinzelt Hinweise auf die gesprochene Sprache in seiner
Grammatik enthalten.
Wenn auch in der IDS-Grammatik (Zifonun et al. 1997) die gesprochene
Sprache im Kapitel zur „Grammatik von Text und Diskurs“ erstmals ausführli-
cher berücksichtigt wird, so wird die die Beschreibung von gesprochener Spra-
che einer breiteren Öffentlichkeit doch erst in der siebten Auflage der Duden-
Grammatik (2005) mit dem Gesprochene-Sprache-Kapitel von Reinhard Fiehler
präsentiert. Der mittlerweile erfolgten Etablierung gesprochener Sprache als
Gegenstand sprachwissenschaftlicher Auseinandersetzung und der großen
||
8 Die konträren Auffassungen zum Verhältnis von geschriebener und gesprochener Sprache
werden in zwei Hypothesen zusammengefasst: der Dependenz- und der Autonomiehypothese
(vgl. Dürscheid 2002: 3845). Dependenztheoretiker gehen davon aus, dass geschriebene und
gesprochene Sprache voneinander abhängig und Teil des gleichen Systems sind, während
Vertreter der Autonomiehypothese dafür plädieren, dass schriftliche Texte und mündliche
Äußerungen als getrennte Forschungsgegenstände mit je eigenen Methoden und Theorien zu
behandeln seien. Letztere Einschätzung bringt die Forderung nach einer eigenen Grammatik
der gesprochenen Sprache mit sich. Eine Zwischenposition nehmen Vertreter der Interdepen-
denzhypothese ein: Sie betrachten die gesprochene Sprache als relativ dominant gegenüber
der geschriebenen und fordern eine differenzierte methodische Vorgehensweise und theoreti-
sche Reflexion. Damit stellt die Interdependenzhypothese eine „[…] Variante der Autonomie-
hypothese in schwächerer, relativierter Form dar […]“ (Dürscheid 2002: 39). Einen Überblick
zur Systemdebatte gibt auch Hennig (2006: 102109).
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute