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58 | Theoretische Voraussetzungen
Eine sprachliche Varietät zeichnet sich dadurch aus, dass gewisse Realisierungsformen
des Sprachsystems in vorhersehbarer Weise mit gewissen sozialen und funktionalen
Merkmalen kookkurrieren […]. Varietäten [sind] als (konventionell bestimmte, unscharf
abgegrenzte) Verdichtungen in einem Kontinuum zu verstehen.
Die Vorstellung der eindeutigen Distinktheit von Varietäten wird mit dieser
Begriffsdefinition verabschiedet, das Varietätenkonzept so für die Jugend-
sprachforschung potenziell nutzbar. Eben weil ein Element ĂĽberlappend in
verschiedenen Varietäten vorkommen kann, kommt die Annahme von Verdich-
tungsbereichen kookurrierrender Merkmale der Sprachrealität näher als die
Vorstellung von gegeneinander klar abgrenzbaren MerkmalsbĂĽndeln (vgl.
Dovalil 2010: 46). Der gemeinsame Sprachgebrauch innerhalb sozialer Gruppen
von Jugendlichen und gemeinsam realisierte Funktionen dieses Sprachge-
brauchs (z.B. die Funktion der personalen und sozialen Identitätsbildung)74
bewirkt das gemeinsame Vorkommen gewisser Realisierungsformen. So spricht
etwa Androutsopoulos (1998: 592) von Jugendsprache als
sekundäre Varietät, die in der sekundären Sozialisation erworben, in der alltäglichen in-
formellen Kommunikation im sozialen Alter der Jugend habituell verwendet und als sol-
che identifiziert wird. Sie wird auf der Basis einer areal und sozial verschiedenen Primär-
varietät realisiert und besteht aus einer Konfiguration aus morphosyntaktischen,
lexikalischen und pragmatischen Merkmalen, deren Kompetenz, Verwendungshäufigkeit
und spezifische Ausprägung nach der soziokulturellen Orientierung der SprecherInnen
variiert.
Die Bezeichnung „sekundäre Varietät“ meint sprachliche Gebilde, welche nicht
primär, d.h. von Geburt an, erworben werden, so wie das beispielsweise bei
Dialekten der Fall ist, sondern erst „während einer Sekundärsozialisation, die
nicht im Rahmen der Familie, sondern im Rahmen eines neuen sozialen Gebil-
des stattfindet“ (Androutsopoulos 1998: 586) von den Sprecher/-innen angeeig-
net werden. Androutsopoulos stellt sich das Verhältnis von Primärvarietät (kol-
loquialer Standard oder Regionalvarietät) und Jugendsprache als
Sekundärvarietät wie ‚Basis’ und ‚Überbau’ eines sprachlichen Gebildes vor, die
„ein Gefüge von sich überlagernden (Schichten von) Merkmalen mit unter-
schiedlicher soziolinguistischer Relevanz“ (Androutsopoulos 1998: 587) erge-
||
scher Merkmale, die gegen andere Varietäten im Repertoire abgegrenzt und (oft) be-
wußt/benennbar sind“ (Auer 1989: 29).
74 Zur Kommunikation in Jugendgruppen als sozialisatorische Interaktion und ihren Charak-
teristika vgl. Neuland (2008: 162165).
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Jugendkommunikation und Dialekt
Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Titel
- Jugendkommunikation und Dialekt
- Untertitel
- Syntax gesprochener Sprache bei Jugendlichen in Osttirol
- Autor
- Melanie Lenzhofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-050330-2
- Abmessungen
- 14.8 x 22.0 cm
- Seiten
- 502
- Kategorie
- Geographie, Land und Leute